Die in der äussersten Todes Angst mit überreichem Trost hertzlich erquikkete und wieder aufgerichtete Seele erfreüet sich in Gott, ihrem Heilande, preiset desselben Gühte und wünschet nur bald der Ewigen Seligkeit zu geniessen

[313] Dieses kan auch gesungen werden nach der Melodie Meines sonst wolbekanten Liedes: So wünsch' ich mir zu guhter letzt Ein seliges Stündlein, wol zu sterben!


1.

Lob, Preiß und Dank sei Dir von mir,

O süsser Jesu Christ, gesungen,

Daß Du mir schnel die Himmelsthür'

Eröfnen wilt, wenn ich gedrungen

Bin aus dem Kärker diser Welt,

Der mich so grausahm hat beschwehret:

Itz seh' ich schon Dein Freüdenzelt,

Daß eifrigst wird von mir begehret.


2.

O schönstes Hauß, o güldner Sahl,

O Pallast, gläntzend wie die Sonne,

In welchem ich das Abendmahl

Bald halten sol mit Freüd' und Wonne.

O Hauß vol Licht und Herligkeit,

Wenn werd' ich deine Klahrheit sehen?

Wenn werd' ich, aller Angst befreit,

Aus disem Kärker zu dir gehen?


3.

Wenn werd' ich doch Dein Angesicht,

O mein Hertzlibster Jesu, schauen?

Wenn wirst Du mich Dir selbst, mein Licht,

Als Dein' hertzwehrte Braut vertrauen?

Du hast gesagt, daß, wo Du bist,

Dahin sol ich, Dein Freund, auch kommen:

Hilf nun, daß ich in schneller frist

Zu Dir, zu Dir werd' aufgenommen!


4.

Warum läst Du mich in der Welt

So lang' als einen Pilger wallen?

Mein Jesu, wenn es Dir gefält,

So laß doch bald die Stimm' erschallen:

Du bist mein allerlibstes Kind,

Drum kom, du must beim Vatter wohnen,

Der die, welch' Ihm verbunden sind,

Gantz prächtig ziert mit Ehrenkrohnen.


5.

Ich wil dich aus dem Jammerthal,

Wo nichts als Noht und Tod regiret,

Versetzen in den Freüdensahl,

Da Sion herlich triumphiret.

Ich wil dich bringen mit Gewalt,

O Freundinn', aus dem Tod' ins Leben.

Ja, mein Herr Jesu, komm nur bald,

Diß schöne Wohnhauß mir zu geben.


6.

O unverwelklichs Erb' und Theil,

Daß uns im Himmel aufgehoben!

O Fried, o Freud', o Licht, o Heil,

Wer kan dich recht nach Würden loben?

O möcht' ich augenbliklich doch

Dein unvergänglichs Wesen sehen!

O möcht' ich dise Stunde noch

Samt Deinen Engeln für Dir stehen!


7.

O Gottes Statt, o Vatters Hauß,

O süsse Ruh', o liblichs Wesen!

Itz flieh' ich von der Welt hinauß,

In Deinen Zimmern zugenesen.

O Tag, o Licht, o Herligkeit,

O guhter Will' und Wolgefallen,

Itz find' ich auf so manches Leid

Vergnügung, Fried' und Freud' in Allen
[314]

8.

Drauf fahr' ich hin; Der Engel Schaar

Steht libreich da, mich zubegleiten.

Nun ist mein Lauf vollendet gahr,

Nun ist gethan mein schwehres Streiten;

Nun tritt mein Jesus selbst herzu,

Nun wil Er mir die Krohn' aufsetzen

Und mich mit Ehr' und Freud' und Ruh'

In Seinem Reich' ohn' End' ergetzen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 313-315.
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