|
[211] Der Sohn Gottes Christus Jesus wird von den Häscheren aus dem Sahle des Hohenpriesters in der Diener beigemach geführet und darselbst die gantze Nacht von den allergeringsten Knechten verspottet und geschlagen.
1.
Liebste Seel', erkenne doch,
Was dein Heiland hat erlitten
Diesen Abend, als Er noch
Wird geführt mit schnellen Schritten
In der Häscher beigemach,
Da den nach der Priester scheiden
Dieses Schäfflein muste leiden,
Biß der liebe Tag anbrach.
2.
Wie viel Schande, wie viel Spott,
Wie viel lästerns muß doch tragen
Unser Heiland, Mensch und Gott;
Ach wie wird sein Haubt zerschlagen!
Seiner klahren Augen Licht,
Daß mit Tüchern zugebunden
Stöss' und Speichel hat empfunden,
Wird durch aus verschonet nicht.
3.
Wölffe Zerren dieses Lam,
Mörder schlagen den Geliebten:
Unsrer Seelen Bräutigam
Wird daß Haubt der Hochbetrübten.
Seht, der Häscher leichte Schaar
Machet wund mit Grimm' und Rasen
Seine leftzen, Stirn und Nasen,
Seine Wangen, Haubt und Hahr.
4.
Meine Sinne können nicht
Allen Schimpf und Hohn erdenken,
Welcher dich, O lebens licht,
Durch die Diener muste kränken.
Lose Buben hatten Macht,
Dich zu quählen hier auff Erden,
Daß dadurch wir müchten werden
Hoch im Himmel angebracht.
5.
Dieses alles hast du zwahr,
Liebster Heiland, außgestanden
Von der frechen Häscher Schaar,
Die dich schlug in harten Banden:
Aber Ich war mit dabei;
Diesem unverschämten Hauffen
Bin Ich selber zugelauffen,
Zu verüben Tirannei.
6.
Straffe nicht in deinem Grimm
Meine Sünd und Missethaten.
Ach Herr, hör' itz meine Stimm,
Den Ich bin in Angst gerahten.
Wer' Ich nun von Sünden rein,
Köntest du Mir nicht vergeben
Sünd' und Schuld in diesem Leben
Noch Mir Armen gnädig sein.
7.
Ich bekenn' es ohne scheü,
Daß Ich manchen Tag verschlissen
Mit den Dienern, die gantz frei
Ohne Glauben und Gewissen
Dir so grossen Schimpf gethan;
Aber Nun, O lieber Meister,
Sende doch deß Himmels Geister
Mir zu Dienst' auff diesen plaan.
[212]
8.
Hab' Ich Mich der Bösen Rott'
In der Jugend zugesellet,
Ey so dank' Ich Dir, Mein Gott,
Daß sie Mich nicht gantz gefellet:
Nun und künftig folg' Ich Dir.
Laß dein' Engel bei Mir bleiben,
Welch' als fromme Diener treiben
Alle feindschafft weit von Mir.
9.
Laß den Teuffel und die Welt
Alles daß zusammen bringen,
So nach meiner Seelen stelt,
Derer keins wird Mich bezwingen.
Herr, Ich trotz auff deine Macht,
Fürchte nichts der Feinde blitzen:
Deine Diener, so Mich schützen,
Wachen vor Mich tag und Nacht.
Buchempfehlung
Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.
298 Seiten, 15.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro