Ein Lob-Lied

[203] Von der hertzlichen Liebe und denen unaußsprechlichen Wolthaten unsers Herrn und Heylandes Jesu Christi.


1.

Jesu, du mein liebstes Leben,

Meiner Seelen Bräutigam,

Der du dich vor mich gegeben

An des bittern Creutzesstamm;

Jesu, meine Freud und Wonne,

All mein Hoffnung, Schatz und Theil,

Mein Erlösung, Schmuck und Heyl,

Hirt uff König, Liecht und Sonne:

Ach, wie sol ich würdiglich,

Mein HERR Jesu, preisen dich?


2.

O du allerschönstes Wesen,

O du Glantz der Herrligkeit,

Von dem Vater außerlesen

Zum Erlöser in der Zeit:

Ach ich weis, daß ich auff Erden,

Der ich bin ein schnöder Knecht,

Heilig, selig und gerecht

Sonder dich kan nimmer werden.

Herr', ich bleib' ein böser Christ,

Wo dein Hand nicht mit mir ist.


3.

Ey so komm, du Trost der Heyden,

Komm, mein Liebster, stärcke mich.

Komm', erquicke mich mit Freuden,

Komm' und hilff mir gnädiglich.

Eile bald, mich zu erleuchten,

Gott, mein Hertz' ist schon bereit;

Komm, mit deiner Süssigkeit

Leib und Seel mir zu befeuchten.

Komm, du klares Sonnen-Liecht,

Daß ich ja verirre nicht.


4.

Komm, mein Liebster, laß mich schauen,

Wie du bist so wol gestalt,

Schöner als die schönste Frauen,

Allzeit lieblich, nimmer alt.

Komm, du Auffenthalt der Siechen,

Komm, du liechter Gnadenschein,

Komm, du lieblichs Blümelein,

Laß mich deinen Balsam riechen.

Du mein Leben, komm heran,

Daß ich dein geniessen kan.


5.

Ach wie wird dein freundlichs blicken,

Allerliebster Seelen-Schatz,

Meinen Geist in mir erquicken

Und jhn führen auff den Platz,

Da er solche Lust empfindet,

Die nicht zu vergleichen ist.

Deine Lieb', Herr Jesu Christ',

Ist es, die mich gar entzündet,

Die mein Hertz zu Tag und Nacht

Auch im Leiden freudig macht.
[203]

6.

Schaff' in mir noch hier auff Erden,

Daß ich wie ein Bäumlein fest

Dir mög eingepflantzet werden.

Diesen Schatz halt' ich fürs best',

Auch viel höher als Rubinen,

Theurer als den güldnen Sand,

Schöner als den Diamant,

Die zur blossen Hoffart dienen,

Besser als der Perlen Schein,

Wenn sie noch so köstlich seyn.


7.

O du Paradyß der Freuden,

Das mein Geist mit Schmertzen sucht,

O du starcker Trost im Leiden,

O du frische Lebens-Frucht!

O du Himmel-süsses Bissen,

Wie bekompstu mir so wol!

Ja, mein liebster Schatz, der sol

Mich in höchster Wollust küssen.

Gib mir deinen zarthen Mund,

Denn so wird mein Hertz gesund.


8.

Herr, ich bitte dich, erzeige,

Daß du reden wilt in mir

Und die Welt gantz in mir schweige.

Treibe deinen Glantz herfür,

Daß ich bald zu dir mich kehre

Und dein Wort, der edle Schatz,

Find in meinem Hertzen Platz,

Daß mich deine Warheit lehre,

Daß ich Sünd' und Laster-frey

Dir, mein Gott, gefällig sey.


9.

Lieblich sind dein' edle Hütten,

Schön von Gnad' und Himmels-Gunst,

Da du pflegest außzuschütten

Deiner süssen LiebeBrunst.

Meiner Seelen, Gott, verlanget,

Daß sie frölich möge stehn

Und mit klaren Augen sehn,

Wie dein' hohe Wohnung pranget.

Leib und Seel' erfreuen sich,

Herr, in dir gantz inniglich.


10.

Wol den Menschen, die da loben

Deine Wolthat jmmerdar

Und durch deinen Schutz von oben

Sich beschirmen vor Gefahr,

Die dich heissen jhre Stärcke,

Die jhr Leben in der Ruh'

Und der Tugend bringen zu,

Daß man rühmet jhre Wercke.

Christen, die also gethan,

Treten frey die Himmels-Bahn.


11.

Dieses, Jesu, schafft dein Lieben,

Jesu, Gottes liebster Sohn,

Das dich in die Welt getrieben

Von des hohen HimmelsThron'.

O wie tröstlich ist dein Leiden,

O wie heilig ist dein Wort,

Das uns zeigt des Lebens Port,

Da wir uns in Freuden weiden,

Wo die grosse Fürsten-Schaar

Dir zu Dienst' ist jmmerdar.


12.

Machet weit die hohe Pforten,

Oeffnet Thür' und Thor der Welt,

Wündschet Glück an allen Orten,

Sehet, da kompt unser Held;

Sehet, er kompt einzuziehen,

Alß' ein Ehren-König pflegt,

Wenn er seinen Feind erlegt.

Alles Volck sol sich bemühen,

Hoch zu preisen unsern Gott,

Gott, den großen Zebaoth.


13.

Hoch gelobet hoch geehret

Sey des Herren teurer Nam'!

Herrlich ist sein Reich vermehret,

Das aus Gnaden zu uns kam.

Er ist Gott, der uns gegeben

Seel' und Leib, auch Ehr' und Gut,

Der durch seiner Engel Hut

Schützet unser Leib und Leben.

Dancket jhm zu aller frist,

Weil der Herr so freundlich ist.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 203-204.
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