Freüdiges Abscheidslied auß disem vergänglichen in das himmlische und ewige Leben

[251] Dises kan man singen auf die Melodei des Lides: So wünsch Ich nun ein guhte Nacht.


1.

Nun, Welt, du must zu rükke stehn

Mit allen deinen Schätzen:

Mit Freüden wil Ich schlaffen gehn,

Den Leichnam sol man setzen

Ins Grab hinein,

Da keine Pein

Hinfür' Ihn wird verletzen.


2.

Mein Seelichen fleügt Himmel an,

Der Leib schläft in der Erden,

Biß daß Er mit der Seelen kan

Wiedrüm verknüpffet werden.

Immittelst sol

Er ruhen wol

Ohn einige Beschwerden.


3.

O waß für Reichthum werd Ich doch

In jenner Welt besitzen!

Hinführo wird des Kreützes Joch

Mich nimmermehr erhitzen:

Es wird die Sünd

Ein Gottes Kind

Nicht können mehr beschmitzen.


4.

O waß für Ehr und Herligkeit

Wird Mir daselbst gegeben!

Wie lieblich werd Ich nach der Zeit

Im Hause Gottes leben!

In welchem Glantz

Werd Ich doch gantz

Verkleidet ewig schweben!


5.

Wie groß wird sein der Liebe Macht

Ohn einiges Betriegen,

Wie herlich Meiner Glieder Pracht,

So durch die Wolken fliegen!

Hett Ich nur schon

Die FreüdenKrohn'

In Gottes Sahl erstiegen!


6.

Wie groß wird dort die Wollust sein,

Die gahr nichts eitles heget!

Ein HimmelsKind bleibt allzeit rein,

Sein Hertz wird nie beweget

Von Hass und Neid;

Auch alles Leid

Wird dort rein abgeleget.
[251]

7.

Wie werd Ich auch der Jugend Kraft

So treflich wol empfinden:

Es wird ein süsser LebensSaft

Von neüem Mich verbinden,

So daß noch Noht

Noch Schmertz noch Tod

Mein Hertz kan überwinden.


8.

Wie werd Ich künftig sein so klug,

Wen ich mag Christum sehen

Und alle Sachen kan genug

Dem Grunde nach verstehen!

Wie wol wird Mir

Den für und für

In Gottes Reich geschehen!


9.

Wie treflich wird der Freiheit Schatz

Nach diser Knechtschaft prangen!

Drum trag' Ich auch nach disem Platz'

Ein sehnliches Verlangen.

Ach wer Ich nur

Des Lebens Uhr'

Einst völlig durch gegangen!


10.

Wie wird Mir dort die werthe Schaar

Der Engel und der Frommen

Mein Hertz ergetzen immerdar,

Wen Ich bin aufgenommen!

Mücht' Ich nur bald,

Mein Auffenthalt,

Herr Jesu, zu Dir kommen!


11.

Mein Gott, wie werd' Ich jauchzen dort,

Wie werd' Ich Mich erquikken,

Wen Ich an deinem schönsten Ohrt

Dich selber werd' erblikken!

Ich wil mit Lust

An meine Brust

Dich, O mein Heiland, drükken.


12.

Ich wil nach diser kurtzen Zeit

Dich unaufhörlich preisen,

Du Heilige Dreifaltigkeit,

Und deinen Knecht Mich weisen.

Du wirst ja Mich

Auch ewiglich

Mit Freüd und Wonne speisen.


13.

Hinfohrt, O Welt, kenn Ich dich nicht,

Ich weis ein ander Leben,

Dem Himmel wil Ich meine Pflicht

Nun gantz für Eigen geben;

Der wird geschwind

Mich armes Kind

Zur Herligkeit erheben.


14.

Kom den, O hocherwünschter Tag,

Mich hertzlich zubefreien;

Kom, liebstes Stündlein, daß Mich mag

Zum Himmels Fürsten weihen:

Kom bald heran,

Damit Ich kan

Dein ewigs Lob außschreien.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 251-252.
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