|
[196] Umb den himlischen Seelen-Gast, den werthen heiligen Geist.
1.
Ich trage groß Verlangen,
Herr Jesu, deinen Geist,
Der Rath und Tröster heist,
Mit Freuden zu empfangen.
Es sehnet sich mein Muth
Allein nach diesem Gut,
Und wenn ich das kan haben,
Ist all mein Leid vergraben.
2.
Nichts wil ich mehr begehren,
Als wenn du diesen Gast,
Den du versprochen hast,
Mein Gott, mir wirst gewehren;
Der lehrt zur jeder frist
Das, was ein frommer Christ
Zu thun sol seyn geflissen,
Auch was jhm noth zu wissen.
3.
Er ists, der uns regieret
Die Sinnen und Verstand,
Der durch der Liebe Band
Uns recht zum Himmel führet,
Ja der des Glaubens Krafft
In unser Seelen schafft,
Der sie mit Tugend schmücket
Und in der Noth erquicket.
4.
Er hält uns, wenn wir fallen
In Vnglück und Gefahr.
Bald werden wir gewahr,
Daß er vns hilfft für allen.
Er lässt uns nicht allein,
Wenn wir verjrret seyn;
Er speiset uns mit Freuden,
So bald wir Mangel leiden.
[196]
5.
Er bringt uns arme Knechte,
Wenn wir durch falschen Schein
Der Welt verleitet seyn,
Durch seine Krafft zu rechte.
Er ist ja vnser Schutz,
Wenn durch der Feinde Trutz
Wir Christen hie auff Erden
So starck verfolget werden.
6.
Ja dieser Geist, der lehret
Das, was uns unbekandt
Und himlisch wird genandt.
Er ist es, der da mehret
In uns des Glaubens Liecht,
Trost, Hoffnung, Zuversicht,
Gedulden, leiden, lieben
Und sich in Demuth üben.
7.
Wenn wir verdüstert gehen,
Bringt er uns auff den Weg;
Er zeigt des Lebens Steg,
Daß wir im Finstern sehen.
Sein Honigsüsser Mund
Macht unser Hertz gesund.
Er kan den bösen Willen
In unser Seelen stillen.
8.
Er tröstet das Gewissen,
Wenn durch der Sünden Schmertz
Ein sehr zerschlagnes Hertz
Ist jämmerlich zerrissen.
Er höret unser Bitt',
Er richtet unsre Tritt',
Er gibt uns erst das Wollen,
Da wir nach leben sollen.
9.
O selig ist zu schätzen,
Den diese Gnad' und Gunst
Der süssen Himmels-Brunst
Auff Erden mag ergetzen!
Doch dieser werther Schatz
Hat nicht bey denen Platz,
Die durch jhr gantzes Leben
Den Lastern sind ergeben.
10.
Gleichwie nicht kondte bleiben
Des Noäh Taub' allda,
Wo es noch kothig sah':
Also läst sich vertreiben
Der Geist der Sauberkeit,
Wo man die liebe Zeit
In Uppigkeit verbringet
Und gleich zur Hell' einspringet.
11.
Wer Zanck und Hader liebet,
Wer bey den Spöttern sitzt
Und schändlich sich beschmitzt,
Wer sich in Hoffahrt übet,
Wer stets im Sause lebt,
Wer nur nach Gelde strebt,
Der kan den Geist der Gnaden
Doch nimmer zu sich laden.
12.
Er gibt sich selbst nur denen,
Die, von der Triegerey
Der schnöden Wollust frey,
Sich nach dem Himmel sehnen,
Ja welche Tag und Nacht
Auff Gottes Zorn bedacht
Ihr traurigs Hertz' außschütten
Und stets umb Gnade bitten.
13.
Herr Jesu, du mein Leben,
Mein' höchste Freud' und Lust,
Mir ist ja wol bewust,
Daß du allein kanst geben
Diß himlische Geschenck';
Ich bitte dich: Gedenck'
An mich, daß, wenn ich schreye,
Dein Geist mich hoch erfrewe.
14.
Laß mich von dir nicht wancken,
Verleihe Muth und Krafft,
Die uns der Tröster schafft;
Gib heilige Gedancken,
Daß meine Seel in dir
Sich tröste für und für.
Gib, daß ich meinen Willen
Durch dich nur lasse stillen.
15.
Verleyhe mir, zu taugen
Vor deinem Angesicht'.
O unvergänglichs Liecht,
Komm', heilige mein' Augen,
Daß sie zu dir allein
Durchauß gerichtet seyn.
Vermehre mein Verlangen,
Nur dir, Herr', anzuhangen.
[197]
16.
O möcht' ich Armer bleiben
Ein Feind der Sünden-Gifft,
Der Leib und Seele trifft!
O möcht' ich doch vertreiben
Das, was den guten Geist
Verjaget allermeist;
So würd' ich seine Gaben
Beständig bey mir haben.
17.
Rath ist bey dir zu finden,
Herr Jesu, meine Ruh'.
Ach tritt du selber zu
Und hilff mir überwinden
Durch deines Geistes Stärck'.
Ich weis, sein gnädigs Werck,
Das wird zum Freuden-Leben
Mich ewiglich erheben.
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro