Röm. 12, 11.

[322] Schikket Euch in die Zeit.


Melodie: Du LebensFürst, Herr Jesu Christ.


1.

Ihr Christen, schikt euch in die Zeit:

Das Heil ist itz fürhanden,

Der Himmel und die Seligkeit

Sind offen längst gestanden.

Ach lasset uns die Zeit der Gnaden

Versäumen nicht uns selbst zum Schaden.

Im Lichte last uns wandeln doch,

So lang' ein Licht hie scheinet noch.
[322]

2.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last uns die Tühr aufmachen;

Es ruft der Herr der Herligkeit,

Wir sollen fleissig wachen.

Ach last den Eifer nicht erkalten,

Der Herr klopft an und wil itz halten

Mit uns in unserm HertzenSahl

Sein hochgepriesnes Abendmahl.


3.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last uns die Buhss nicht spahren,

Damit wir nicht mit Grausahmkeit

Zum Höllenpfuhl hinfahren.

Ach last uns, weil wir können fehlen,

Für Hochmuht wahre Buhss' erwählen

Und solche gahr nicht schieben auf:

Sehr kurtz ist ja des Lebens Lauf.


4.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Wir wollen uns versöhnen

Und stiften Fried' und Einigkeit.

Ei last uns das beschönen,

Wen Ander' uns beleidigt haben;

Wir wollen allen Zank vergraben

Und leben fein nach Christi Sinn;

Zank, Neid und Streit fahr immer hinn!


5.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit,

Als welch' uns ist erschienen,

Das wir mit Lib' und Freundligkeit

Dem Nechsten sollen dienen.

Last uns den Freunden Guhts erzeigen,

Zufoderst unsre Hertzen neigen

Zu denen, welche HungersNoht

Und Armuht qvählt biß auf den Tod.


6.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last ja das Hertz nicht kleben

An Mammons schnöder Eitelkeit;

Wer gibt, dem wird gegeben.

Tuht Guhts und lasset Euch der Armen

In ihrer Trübsahl stets erbarmen.

Was hilft uns endlich Guht und Geld?

Wir gehn davon, das bleibt der Welt.


7.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit

Und lernet täglich sterben,

Damit wir in der Ewigkeit

Des Himmels Freud ererben.

Wir müssen ja die Welt verlassen,

Drum last uns sie bei Zeiten hassen;

Last uns dem Tod' entgegen gehn,

Es ist doch bald üm uns geschehn!


8.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit,

Sie kan sich schnel verkehren.

Des Lebens Unbeständigkeit

Solt' uns ja billig lehren,

Das gäntzlich nicht dem Glük zu trauen.

O Narren, welch' auf Menschen bauen,

Demnach auch oft in kurtzer Frist

Der höchsten Ding' Ein Wechsel ist.


9.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last euch nicht traurig machen,

Wen Kreutz und Widerwertigkeit

Verwirren Eure Sachen.

Gedenk: Es kan dir übel gehen,

Wen du wirst hoch erhaben stehen;

Gedenk auch, wen die Noht bricht an,

Das es sich schleunig bessern kan.


10.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last uns zusammen treten

Und in der höchsten Traurigkeit

Zu Gott von Hertzen behten.

Was gilts? der Höchste wird es sehen,

Er wird erhöhren unser Flehen

Und ändern Zeiten, Stund und Tag

Viel besser, als mans wünschen mag.


11.

Ihr Christen, schikt Euch in die Zeit:

Last des Berufs uns wahrten

Und zwahr mit Freud' und Fröligkeit,

So wird sichs glüklich ahrten.

Kein' Arbeit sol uns ja verdriessen,

Bis wir in Jesu sie beschliessen

Und fahren aus der schnöden Zeit

Zu Gott' ins Haus der Ewigkeit.

Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon