[321] Wie durch Eines Menschen Ungehohrsahm viel Sünder worden sind: Also auch durch Eines Gehohrsam werden viel Gerechten.
Melodie: O Gottes Statt, O himlisch Licht.
1.
O Schwehrer Fall, der Adam hat
Vom Schöpffer abgewendet!
O Sünd', O Schand', O Missethat,
Welch' ihn so gahr verblendet,
Das er von Gott sich hat gekehret,
Der doch so treflich ihn geehret,
Ja der mit grossē Ruhm u Pracht
Zu seinem Bild ihn hat gemacht!
2.
O harter Fall, das Adam ist
Dem Schöpfer Feind geworden,
Wodurch hernach in schneller Frist
Auch in der Sünder Orden
Wir arme Menschen sind gesetzet!
Der Fall hat uns so sehr verletzet
Das wir zum Guhten taub und blind
Itz nichts als HöllenKinder sind.
[321]
3.
O grosser Fall, der nicht bestund
Allein im Apfel-essen:
Ach nein! des Hertzens böser Grund
War gäntzlich nicht zu messen.
Schaut, wie dort Adam Gott sein wolte,
Den er doch kindlich fürchten solte:
Diß war die hoch verfluchte That,
Die Höll' und Todt verdienet hat.
4.
O tieffer Fall! war Adam nicht
Das schönste Bild auf Erden?
Noch war er auf die Frucht verpicht,
Welch' ihn lies heßlich werden.
Er hat solch' eine Schuld begangen
Als Satan, welcher ihn gefangen,
Demnach sie Beid' und zwahr allein
Dem Schöpfer wolten ähnlich sein.
5.
O schnöder Fall, der Adam hat
Aus Gottes Bild' und Leben
Vermittelst solcher Missethat
Gebracht und ihm gegeben
Des Satans Bild, in welches Orden
Er viehisch, ja recht Teuflisch worden,
So daß nach seines Meisters Lehr'
Er sucht sein eigne Lib' und Ehr'.
6.
O schwehrer Fall, O sündlich' Ahrt!
Es wird schon in der Jugend
Dis Gift im Menschen offenbahrt:
Da hassen ja die Tugend
Auch die noch unerzogne Kinder,
Die sind zum Argen viel geschwinder
Als mancher, der schon lange Zeit
Gelebt in diser Eitelkeit.
7.
O böser Fall, der nichts erregt
In uns als Stoltz und Triegen,
Der unsre Seel' und Hertz bewegt
Zum Fluchen, Lästern, Liegen,
Zur Rach', Hass', Unzucht, Fressen, Sauffen,
Zum Wucher, geitzen, balgen, rauffen,
Zur Schalkheit, Hoffart, Hinterlist
Und allem, was ein Greuel ist.
8.
Gleichwie wir nun in Adam sind
Verderbt, ja gantz verlohren,
So werden wir darauf geschwind
In Christo neu gebohren:
Von Christo müssen wir empfangen
Den Geist der Lib', aus Gott gegangen,
Den Geist der Weißheit u der Stärk;
Alsden so thut man Christi Werk'.
9.
In Adam waren alzumahl
Wir jämmerlich gestorben,
Leib, Seel' und Geist auch durch die Zahl
Der Laster gahr verdorben.
Nur Gottes Geist könt' uns erheben,
In Christo gleich aufs neu zu leben
Und das zu thun in diser Welt,
Was unserm Schöpfer wolgefält!
10.
So leben wir in Christo recht,
Demnach wir angezogen
Den neuen Menschen, der nur schlecht
Zum Guhten wird bewogen.
Drum können wir noch hier auf Erden
In Gottes Bild verklähret werden,
Wen wir in diser LebensBahn
Theils thun, was Christus hat gethan.
11.
Lob, Ehr' und Dank, Herr Jesu Christ,
Sei hertzlich dir gesungen,
Das du gehohrsam worden bist
Für mich und hast verdrungen
Des alten Adams sündlichs Wesen.
Wol uns! nun können wir genesen
An Seel' und Leib' erst in der Zeit
Und folgends in der Ewigkeit.
Buchempfehlung
Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.
62 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro