Uber Ein Anderes Evangelium am Festtage Johannis des Evangelisten, Joh. 1.

[283] Melodie: O Welt, Ich muß Dich lassen, u.s.w.


1.

O Höchstes Werk der Gnaden,

O Werk, daß auch die Schaden

Der Seelen heilen kan!

O Demuht auserkohren:

Gott wird Ein Kind gebohren,

Nimt wahre Menschheit an!


2.

Der Vatter hat gezeüget

Den Sohn, der Sich geneiget

Uns armen Menschen zu.

Der stets bei Gott gewesen,

Komt jtz, daß wir genesen

Und finden Ewig Ruh'.


3.

O Wundervolle Sachen,

Welch' uns bestürtzet machen!

Das Wohrt von Ewigkeit

Komt in der Zeiten Fülle,

Damit es Sich verhülle,

Zu treten an den Streit.


4.

Diß Wohrt ist ohne Schmertzen

Aus Seines Vaters Hertzen

Von Ewigkeit gezeügt.

Bald steht es in der Mitten

Und machet durch Sein Bitten

Den Vatter uns geneigt.


5.

Diß Wohrt, daß wir hoch ehren,

Hat Selbst uns wollen lehren,

Wie Gottes Will' es sey,

Daß es von allem Bösen

Uns kräfftig solt' erlösen

Und machen ewig frei.


6.

Diß Wohrt hat ausgeschikket

Sein Volk, das uns erquikket

Durch Einen süssen Schall;

Es lässet auch mit Hauffen

Die Menschen-Kinder tauffen

Und lehren überall.
[283]

7.

Diß Wohrt ist in dem Orden

Der blöden Kinder worden

Auch Selbst Ein Kindelein.

Den, solt' Er Gott versühnen,

So must' Er, uns zu dienen,

Selbst Mensch und Sterblich sein.


8.

Gott konte ja nicht sterben

Noch uns das Heil erwerben,

Hett' Er nicht Fleisch und Bluht.

Er spührt' uns gantz verlohren,

Drum ward Ein Mensch gebohren

Er Selbst, das höchste Guht.


9.

Solt' Einer Mittler werden

Im Himmel und auf Erden,

So must' Er Beides sein,

Den aller Ohrten wandlen,

Mit Gott und Menschen handlen

Kont' Einer nicht allein.


10.

Diß Grosse Wohrt von oben,

Das auch die Trohnen loben,

Ist Gott von Ewigkeit:

Diß hat auch angenommen

Das Fleisch der Welt zum Frommen

In der bestimten Zeit.


11.

Nun kan Es recht erkennen

Das, was wir Schwachheit nennen,

Ja tragen mit Gedult

Der hochbetrübten Sünder,

Der armen Menschenkinder

Schon längstgemachte Schuld.


12.

Nun kan es Sich der Armen

Auch Brüderlich erbarmen

Und liben alle Welt,

Nun kan es tapfer kämpfen,

Die Macht der Feinde dämpfen

Als Ein recht Wunderheld.


13.

O Wohrt! sei hoch gepriesen:

Du hast uns das erwiesen,

Was schwehrlich wir verstehn;

Doch wollen wir dich loben,

Am meisten, wen dort oben

Wir deine Klaarheit sehn.

Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 283-284.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Blumen und andere Erzählungen

Blumen und andere Erzählungen

Vier Erzählungen aus den frühen 1890er Jahren. - Blumen - Die kleine Komödie - Komödiantinnen - Der Witwer

60 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon