Ein Schatten

[39] Nun ist es hingegeben,

Verweint mit Weh und Ach,

Das Glück, das für ein Leben

Zu dauern dir versprach.

Nun hast du überwunden,

Und doch, du fühlest bang

In einsam stillen Stunden

Des alten Kummers Hang.


Du siehst der Seel' entsteigen

Ein theures Trauerbild,

Mit vorwurfsvollem Schweigen,

Mit Thränen ungestillt.

Du wirst ihm nicht entrinnen,

Ob längst auch abgeschafft

Die Schmerzensgluth der Sinnen,

Und Wahn und Leidenschaft.


Wo du dein ganzes Wesen

Vergabst mit Allgewalt,

Kannst du's zurück nicht lösen

In früherer Gestalt.

Es nimmt aus jener Wonne

Mit sich ein Schattenbild,

Das keine Lebenssonne

Mit warmem Licht durchquillt.


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 39-40.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Der Tag Von St. Jakob: Ein Gedicht (German Edition)