Deutsche Weihnacht

[134] 1870.


Ueber dem Schnee in der heiligen Nacht

Funkelt das Sternengeleite.

Fern in Frankreich auf einsamer Wacht

Schaut der Soldat in die Weite.


Weit, so weit ist der Sternenraum,

Weit, wie die Lieb' ohne Schranken!

Heimathlichter am Tannenbaum

Geh'n ihm durch die Gedanken.


Mutteraugen und Jugendlust,

Kinderlachen und Singen –

Leuchtend geht's ihm auf in der Brust,

Will ihm das Auge bezwingen.


Kalt und eisig schneidet der Wind,

Horch! Was schwirrt durch die Bäume?

Weg von der Stirn, vom Auge geschwind

Streicht er die fremden Träume.


»Dank dir, du fränkischer Winterhauch,

Der mir pfeift um die Ohren!

Hier wird in heiliger Weihnacht auch

Neu uns die Liebe geboren.«
[135]

»Treue Brüder von Süd und Nord

Steh'n auf dem Posten wir Alle.

Deutschland hoch! sei mein Jubelwort,

Ob ich heut, ob ich morgen falle!«


Lautlos schimmert die heilige Nacht,

Still ist's droben und nieden.

Schütze dich Gott, du treue Wacht,

Bring' uns den Sieg und den Frieden!


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 134-136.
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