Das Lehrstück.

[268] Den Bauer auf der breiten Eben hatten wir bloß um vierzehn Tage belogen. Wir hatten ihm unser Kommen für den »nächsten Montag« zugesagt, und zwei Wochen später stiegen wir wirklich über seine Schwelle.

Wir hörten schon von Büchsenschußweite aus dem Hause ein dumpfes Pochen, und als wir eintraten, sahen wir das Unheil. Im Stubenwinkel, wo sonst der Tisch gestanden und wir stets unsere Werkstatt aufgeschlagen hatten, war ein schreckbar großer Schragen, ein Gerüste mit vielen Stäben und Balken ausgerichtet, und in diesen Schragen unter allerlei Gefädel und Geschleier hatte sich ein Weber eingesponnen. Der alte Weber Schoffel.

»Wenn's so ist, Bauer, haben wir bei dir keinen Platz,« sagte der Meister. Der Bauer von der breiten Eben war höllisch verlegen und stotterte, wir hätten ihn halt überrumpelt; wer hätte denken können, daß die Schneider nicht länger »zugäben«, er hätt' auf vier Wochen mindestens gerechnet, weil wir ihn sonst auch allemal so lang' hätten sitzen lassen.

»Ist auch recht,« sagte der Meister, »so gehen wir halt wieder.«

»Ja, das wär' 's Wahre!« rief der Bauer, »da kunnt' ich nachher Jahr und Tag warten und der Schulbub geht in seinem Gewand eh' schon wie ein zerrissener Pudel um. Ihr bleibt sein da; den Tisch rucken wir zum[269] anderen Fenster und so werden Schneider und Weber in meiner Stuben nit zu eng haben. Ja, bitt' Euch gar schön, Schneider.«

Der Weber Schoffel hatte mit seinem Geknarre nicht einen Augenblick eingehalten und man sah ihm's wohl an, daß er nicht gewillt war, seine Herrschaft in der Stube aufzugeben.

Der Weber Schoffel, das war ein Saurer. Bei einem Handwerk aber, wo sich alleweil was knüpft, spannt, verwirrt und zerreißt, kann kein Menschenblut süß bleiben. Der Mann kaute fortweg an gedörrten Feigen, angeblich für die Brust, in Wahrheit jedenfalls, um sich das Leben ein wenig zu versüßen.

Kaum wir uns auf dem angewiesenen Platze einzurichten trachteten und der Meister unter dem Krachen des Webstuhles noch sagte: »Na, gesegne es Gott unseren Ohren!« – traten zur Tür zwei Schuster herein. Es war der alte Leitner aus dem Fischböckgraben, unter dem Spitznamen »der scheltend' Schuster« bekannt, und sein Geselle.

Das war derselbig' scheltend' Schuster, der einmal solchergestalt in den Kirchbann getan worden sein soll, daß er für jeden Fluch, den er ausstieß, für kirchliche Zwecke einen Sechser opfern mußte, und der auf diese Weise einen Weihbrunnkessel für die Fischbacher Kirche zusammengeflucht hatte. Nun er alt wurde und ihm seine Mittel diese Passion nicht mehr zu erlauben schienen, beschied er sich mit Knurren und Zähneknirschen, und das tat er denn auch weidlich, als er jetzt in die Stube trat und in derselben in der einen Ecke den Weber und in der anderen die Schneider sah.[270]

Als sich's aufklärte, wieso auch die Schuster gekommen, waren wir Schneider gerechtfertigt. Wenn uns der Bauer auf der breiten Eben den Vorwurf gemacht hatte, daß wir diesmal zu wenig lang' gelogen, so mußte er an den Schustern erfahren, daß sie gar nicht gelogen. Sie waren am Tag zuvor, als am Sonntag, gebeten worden, sie hatten zugesagt auf »morgen« und der Bauer glaubte nach vielfachen Erfahrungen dieses »morgen« getrost auf drei Wochen hinaus verlegen zu können.

Leder, Garn, Sauborsten und Schmer waren allerdings in Bereitschaft, aber der Raum und der Essensvorrat für drei Landplagen auf einmal?! – Die Bäuerin war keines Wortes mächtig; der Bauer aber behielt seinen Kopf und sagte mit fester Entschlossenheit: »Was stellen wir jetzt an?«

Vom Weber traf ihn ein giftiger, vom Schuster Leitner ein wütender, von meinem Meister ein wehmütiger Blick. Da tat sich der Schustergeselle hervor, ein junger Bursch mit schusterblassem Gesicht, aber dunkeln frischen Augen und einem schwarzen Schnurrbart. Er warf gleich sein Zeugtrühlein, das er über der Achsel vorn, und seinen Leistenknäuel, den er über der Achsel hinten getragen, auf den Boden hin, daß es knatterte, sogar den Weber überknatterte, warf seine Mütze und seinen Rock von sich, streifte die Hemdärmel auf und sagte: »Schneider und Weber kümmern uns nit. Diese alte Kristen (ungefüg's Möbelstück) muß hinaus!« und legte seine Hand an das Ehebett der Bauernleute. Man stimmte bei und nach wenigen Minuten war es entschieden, wo für die nächste Zeit das ehrsame Ehepaar schlafen würde: draußen im Vorhause, unter den Stangen, wo die Hühner ihren[271] Aufsitz haben. Und in der Stube, wo das Bett gestanden, schlugen die Schuster ihre Werkstatt auf. Sie dehnten aber ihre Botmäßigkeit weiter aus. An den Webstuhlbalken spannten sie die gegerbte Kuhhaut aus, um sie zu schwärzen; an der Wand just über meinem Haupte schlugen sie den Haken ein, an welchem der schöne Schustergeselle mit Pech und Handfleck den Garndraht zog, daß es nur so dröhnte und die ganze Wand erzitterte mitsamt den Schneidern, die daran saßen.

Wir wurden miteinander bald gut Freund, nur der Weber blieb eingesponnen und kam bloß hervorgekrochen, wenn einmal das Schiffchen dem Garn entlief und hinausflog in die Stube.

So ging's nun an, der Webstuhl knarrte, die Schuster pochten und hämmerten, wir Schneider bügelten, das Haus ächzte, und dem Bauer auf der breiten Eben sollen zur selben Zeit alle Ratten und Mäuse ausgewandert und seither nicht wieder zurückgekehrt sein.

Die Mahlzeit bewies, daß der Hof auf der breiten Eben einem dreifachen Angriff gerüstet war; sie wurde an unserem Schneidertisch eingenommen. Der Weber hatte seinen Durchziehfaden mit zum Tisch gezogen, so daß es spielte, als ob ein knurrender Kettenhund zum Troge gehe. Er schluckte fürs erste die gedörrte Feige hinab, alsogleich war sein Angesicht noch bitterer. Als die Knödeln kamen, betupfte er den seinen auf dem Teller mehrmals mit der Gabel und sagte dann zu der mit dem Fleischtopf erscheinenden Hausfrau:

»Du, gelt, Bäuerin, den Taufschein hast nit zuweg vom Knödel da?«[272]

»Wie meint das der Meister?« fragte das Weib bescheidentlich.

»Das Geburtsjahr von ihm tät' ich gern wissen,« antwortete der Weber mit sanftmütiger Stimme. Die Hausfrau sprang in die Küche und war trostlos. Da beugte sich aber der schöne Schustergeselle vor und sagte: »Weber, das ist ein alter Spaß, sicherlich viel älter als diese Klöße da, die sind gar nit so schlecht, daß man deswegen die Bäuerin kränken sollt. Daheim in deiner Keuschen wärst froh, Weber, wenn du solche Knödeln hättest, wolltest nach keinem Geburtsjahr fragen, das weiß ich.«

Der alte Schoffel hatte für diese kecke Rede des Schustergesellen nichts, als einen Blick der Verachtung, es war der letzte, den er auf den Burschen warf. Um so freundlicher sah ich den schönen Schuster an, er hatte mein Wort gesprochen; auch ich verteidigte die Klöße, und zwar am nachdrücklichsten dadurch, daß ich ihrer drei Stück verzehrte. Beim dritten schaute mir mein Meister schon ein wenig scharf auf den Teller; die Leute müßten rein glauben, ich hätt' seit einer Woche nichts mehr gegessen.

Das Schwierigste kam erst gegen Abend. Die Bäuerin wagte sich nicht mehr in die Stube; der Bauer trat herein, ließ hinter sich aber die Tür offen, um im Falle es zur Flucht käme, ungehinderten Ausweg zu haben. Darauf teilte er mit, daß im Hause nur ein einziges Handwerkerbett sei, in welchem nicht mehr als zwei Mann Platz hätten.

In dem Augenblick blieb der Webstuhl stehen, die Schuster hörten auf, das Leder zu hämmern und uns Schneidern erlahmte der Arm.

»Ich nicht, ich,« knurrte der Weber, »daß ich der Narr[273] sein werde. Ich bin der erste im Haus gewesen, ich forder' meine Liegerstatt.« Und schob eine frische Feige in den Mund.

»Ich bin nit heikel,« sagte mein Meister, »bin leicht mit was zufrieden, aber ein gutes reines Bett geht mir über alles.«

Der alte Schuster Leitner hieb jetzt mit doppelter Gewalt auf die Stiersohle und knirschte: »Das ist ganz höllisch in dem Haus.«

Jetzt tat der schöne Schustergeselle den Mund auf – er hatte milchweiße Zähne – und sagte: »Es bleibt nichts anderes übrig, wir müssen Sauborsten ziehen. Unser sind drei Parteien; brauchen zwei kurze und eine lange; die lange hat das Bett.«

Was geschah? Er nahm drei schweinerne Nadeln zwischen die Finger – ich zog für uns Schneider – und zog die lange.

»Soll ich alter Mann etwa unter dem Webstuhl schlafen?« fragte der Weber und kaute mit Macht.

»Gar nit, gar uit,« besänftigte der Bauer, »wer im Bett nit Platz haben sollt, für den hätten wir schon ein frisches Stroh draußen im Geschoß; liegen Sommerszeit auch die Dienstleute im Nebengeschoß, ist ihnen lieber, sagen sie, als wie in der dunstigen Stuhen. Ist eh' wahr auch.«

»Ist mir auch noch nit vorkommen,« brummte der Schuster Leitner, »daß die Lehrbuben im Bett liegen und die Meister auf dem Stroh.«

Darauf sagte mein Meister: »Mein Peter da, das ist kein Lehrbub mehr, im vorigen Monat hab' ich ihn freigesagt.«[274]

»Hab' nichts gehört davon,« versetzte der Schuster, dann stand er auf und sagte: »Ist er bei der Innung gewest? He? Hat er in die Lad gezahlt? Haben ihm Meister und Gesellen ein Willkomm gebracht? Hat er getrunken mit bedeckter Schulter und unbedecktem Haupt, mit stehendem Fuß ohne Zucken und Rücken, ohne Bartwischen? Hat noch gar keinen, der Lecker. Weiß er den Gesellenspruch, als: seid züchtig vor Vater und Mutter, vor Schwester und Bruder, wo Ihr gehet und stehet, und in dem Meisterhaus. Kömmt keine Klag', so ist keine Straf', das Gebot ist aus. – Weiß er das? Hat er ein Lehrstuck gemacht? He?«

Auf das verteidigte mich mein Meister: »Wirst wohl wissen, Nachbar, daß seit der Freiheit der alte Brauch nit mehr not ist. Der Peter hat nit getrunken, aber das Lehrstuck hat er gemacht. Seinem Vater eine neue Joppen mit grünen Aufschlägen und Schößeln – ist genug für einen dreijährigen Lehrbuben.«

»Dem Lenz seine neue Schößeljoppen?« rief der Schuster und tat einen lauten Lacher. Mir ging der Lacher tief ins Mark, denn ich war mir wohl bewußt, woran die Joppen litt.

»Ich brauch' kein Bett,« sagte ich, »lieg' auf dem Stroh!«

Mein Meister rief scharf gegen den Schuster hin: »über meinen Gesellen seine Arbeit hat niemand zu lachen.«

»Ja wohl gewiß nit,« war die Antwort, »und er selber am wenigsten. Das ist ein Lugendichter und Leutausrichter!«

»Ich lieg' auf dem Stroh!« rief ich.[275]

»Beweis' was, Schuster Leitner,« forderte ihn mein Meister auf.

»Oh, recht gern. Hat er's nit ausg'sprengt, der Lump, daß ich, der ehrliche Schuhmachermeister, den neuen Weihbrunnkessel in der Fischbacher Kirchen zusammengescholten hätt'!«

»Ich schlaf' auf dem Stroh!« schrie ich laut.

Der Schuster hieb schreckbar wild auf das Leder ein. –

Bald darauf kam die Dämmerung, wir schlossen das Tagwerk, und ich ging hinaus unter die Bäume. Ich sah die lustigen Burschen und die heiteren Mädchen vom Felde heimkehren, da vergaß ich bald auf die Kränkung, die wir uns angetan hatten. Und nun fügte sich's, daß mich eine halbe Stunde später der Schuster Leitner beim Rockkragen in die Stube führte.

»Da, da hast ihn!« knurrte er und schob mich vor meinen Meister hin, »jetzt hab' ich ihn einmal erwischt dabei, da draußen im Schachen – deinen sauberen Gesellen.«

»Was hat er denn angestellt?« fragte mein Meister.

»Frag' ihn nur selber, untersuch' ihn, wirst es schon finden! Wirst es schon finden!«

»Ich mach' ja kein Geheimnis daraus,« sagte ich und übergab meinem Meister ein Notizbüchlein, »da hab' ich was hineingeschrieben.«

»Gegen den Schustermeister?« fragte mich der Meister.

»Gegen den nichts, und Schlechtes ist's auch nichts,« sagte ich, »mir ist's nur so eingefallen und ich hab's nicht bei der Arbeit gemacht. Wenn's dem Meister nicht recht sein sollt', so kann ich's für ein andermal ja lassen.«[276]

»Ich verlang', daß du mir's vorliest!« befahl mein Meister.

»Ich nicht, ich les' das nicht,« rief ich, »wenn's der Meister selber lesen will.«

»Mir ist's schon zu finster. Hat einer gute Augen?«

War der schöne Schustergesell' da, er hätt' gute Augen.

»So lies das Zeug vor,« sagte mein Meister, »will ich doch wissen, was mir der Bub hinter meinem Rucken zu kritzeln hat. – Halt, Peter, nichts davongeschlichen jetzt, du bleibst da!«

Der schöne Schuster legte seine Finger an ein schlecht geschriebenes Wort und fragte mich: »Was soll das heißen?«

»Das muß Höll' heißen,« antwortete ich mit Fassung.

»Von der Höll' ist's was,« murmelte der Weber, »nachher kann's nit viel Gottloses sein.«

»Na, fang' an!« brummte der Schuster Leitner; sein Geselle tat einen erzwungenen Huster und begann:


Ih bin jüngst verwichn

Hin zan Pfora gschlichn:

»Därf ih's Dirndl liabn?«

»Untasteh dih nit, ba meiner Seel,

Wan du's Dirndl liabst, so kumst in d' Höll'.«


»Ist recht brav das, recht brav!« machte der Weber und wendete seine Feige. Der Schuster fuhr fort:


Bin ih vul Valonga

Zu da Muada gonga:

»Därf ih's Dirndl liabn?«

»Oh mei Kind,« sagt sie, »es is noh zfrua,

Dirndl gernhobn, loß da Zeit dazua.«
[277]

War in großn Nötn,

Hon ihn Vodan betn:

»Därf ih's Dirndl liabn?«

»Duners Schlangl?« schreit er in sein Zurn.

»Willst mein Steckn kostn, konst es tuan.«


Wos is onzufonga?

Bin zan Herrgott gonga:

»Därf ih's Dirndl liabn?«

»Ei jo freili«, sogt er und hot glocht,

»Wegn an Büaberl hon ih's Dirndl gmocht.«


Der schöne Schuster hatte zu Ende gelesen, alles schwieg und sie lugten ganz wunderlich drein und blinzelten; aber mein Meister sagte nach einer Weile zu mir: »Wo hast denn du das her?«

»Das hab' ich gar nirgends her,« antwortete ich, »das hab' ich mir nur so zusamm' denkt.«

»O du Lump du!« riefen sie jetzt aus, »was das für ein Spitzbub ist, ein heimlicher! Man sieht ihm's gar nit an.«

Mein Meister nahm mich beiseite und sagte: »Peter, da muß ich schon ein ernstes Wort mit dir reden. Ich hab's nit gern, wenn du so lüderliche Gsangeln schreibst. So was wird gleich weitergetragen und auf Ja und Nein weiß der Pfarrer davon. Deswegen, ich sag' dir's in Güten: reiß das Blattl heraus und verbrenn's, aber« – setzte er leiser hinzu, »abschreiben laß mir's früher.«

Der schöne Schuster machte hierauf folgenden Vorschlag: »Die Meister sollen im Bett schlafen, so gehört sich's; haben schon Platz, alldrei, ist keiner gar groß. Ich und der jung' Schneider gehen aufs Stroh.«

Und so wurde es.[278]

Aufs Stroh schien durch eine Dachluke der Mond herein, den ruf' ich zum Zeugen. Im Augenblick, wo ich just einschlafen will, legt mein schöner Schustergesell' die Hand auf mich herüber und sagt: »Liegst gut?«

»Ja,« sag' ich, »liegst du auch gut?«

»Das schon,« sagt er, »aber schlafen kann ich nit. Weißt, ich muß alleweil dran denken.«

»An was mußt denken, Schuster?«

»Schneider,« sagt er, »du bist ein höllisch gescheiter Mensch.«

»Wenn du hänseln willst, Schuster, so geh' auf ein anderes Stroh, ich will schlafen.«

Da springt er empor und gerade auf mich her und sagt: »Du, Schneider, wenn du glaubst, daß es Schimpf ist, was ich dir gesagt hab', so bist ein Esel! Geh' her und schau um und nenn' mir einen, der so ein Gedichtetes zuweg bringt! Mußt nit bös' sein, Schneider, ich versteh' in deinem Handwerk nit viel, aber nach dem, wie ich deinem Vater seine neue Joppen betracht', kann ich dir sagen: Schneider wirst du keiner zum besten. Dein Liedl – wenn du willst, ich sing's gleich – dein Liedl, das ist ein Lehrstück! Du, denk' drauf, da beim Bauer auf der breiten Eben im Haferstroh hat's dir ein Schuster gesagt: Du bleibst nit Schneider. Du kommst in die Stadt und wirst was; du wirst ein Buchbinder! Paß auf, du wirst noch ein Buchbinder!«

»Hat dir denn mein Gedichtet's so gut gefallen?« frag' ich.

»Sag' dir nur soviel: den Ausgang davon schreib' ich der Meinigen. Der greift an. Wirst ihn gewiß auch der Deinigen schicken.«[279]

»Hab' mir noch keine ausgesucht.«

»Hast keine!« ruft er, »und wegen was schreibst nachher so Sachen auf?«

»Weil sie mir grad' einfallen, und jetzt laß mich schlafen.«

Der schöne Schustergeselle sagte nichts mehr weiter, stand aber leise auf und schlich davon. – Am nächsten Morgen, als durch die Dachluke der glutrote Sonnenstrahl hereinfiel, lag mein Schuster mit nassen Stiefeln im Stroh. Ich weckte ihn mit Mühe und fragte, wo er in der Nacht gewesen sei?

Er rieb die Augen, kraute sich die Strohsplitterchen vom Haar und sagte: »Ei ja so, das meinst. Na, weißt, dein Gedichtet's hab' ich probiert.«

»Ist's was nutz?«

»Für ein Lehrstück passiert's.«

Quelle:
Peter Rosegger: Waldheimat. Band 3: Der Schneiderlehrling, Gesammelte Werke von Peter Rosegger, Band 16, Leipzig 1914, S. 268-280.
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