[114] JUDAS zu denen Vorigen.
Wie? ist es also schon bestimmt,
Das man ihm heuth das leben nimmt?
So weith laß ich es nicht ankommen,
Er wurd schon härter hergenommen,
Als ich mir eingebildet hab,
Wie ich ihm damahls übergab.
CAYPHAS.
Was man gethan ist recht geschehen,
Du wirst noch dessen mehrer sehen,[114]
Ein solcher böswicht hat kein gnad,
Weill er sich selbst verlurstigt hat.
JUDAS.
Ich sag euch doch, das ich ihn eben
Zu seinen todt nicht übergeben,
Versagt ihm doch nicht alle huld,
Dan er ist wahrlich ohne schuld.
RABBI.
Was willst du hier ein gnad erlangen,
Man hat ihm nicht umsonst gefangen,
Wür wissen, das er schuldig ist,
Obwohl du sein verräther bist.
JUDAS.
Es reuet mich, was ich begangen,
Das geldt hat mich, ihr ihn gefangen,
Ach! laßt nur meinen Meister los,
Mein schuld ist sonsten gar zu gros.
Wollt ihr ihn mir nicht widergeben,
So kan und will ich nicht mehr leben.
Die sünd laßt mir noch rast, noch ruh.
CAIPHAS.
Geht uns nichts an: da sech du zu.
ROSMACHIN.
Der kauff ist ein mahl schon geschlossen,
Was du verlangt, das hast genossen,
Hier hilfft kein widerruffen mehr,
Und wans 3 mahl dein meister wär.
EXHIBERIS.
Seind freylich schlechte helden thatten
Sein eignen herrn zu verrathen,
Und wär dir noch so weh, und bang,
So hast du stätts den schelmen klang.
DIARABIAS.
Der geiz, der geiz, hat dich besessen,
Womit du aller treu vergessen
Jezt nach dem werckh fragst erst um Rath,
Doch nuzt es nicht, weill es zu spath.
AMOS.
Freywillig hast den bott geschlagen,
Nun must den spoth nur selbsten tragen.[115]
Geh Judas, geh, und packh dich forth,
Hier gibt man dir kein guttes worth.
JUDAS.
Sollt ihr den tot des meisters schlüßen,
So wurd ich ja verzweiflen müssen,
Hab ich euch einen dienst gethan,
So loßt mich nicht, und denkt daran.
SARAS.
Bey allen dein verwirrten sachen,
Glaub werden wür dich nur verlachen,
Hast geldt, geh, kauf dir einen strickh,
Und deine seel zum teuffl schikh.
JUDAS.
Verdamte münz, verfluchte Sorten,
Durch die ich zum verräther worden.
Da habt ihr disen bluth-gewinn
Gebt mir den meister, nemmet hin.
Würfft das geldt hinein.
Alle außer die obige 3.
Dein meister ist schon im verderben,
Dan heuth noch, heuth noch mus er sterben.
RABBI.
Und diß ist sein verdienter lohn,
JUDAS.
Ich schwör euch, das er gottes sohn.
AMOS.
Der billich ist ein schelm zu schelten,
Der kan vor keinen zeugen gelten.
RABBI.
Das geldt nimm ich indeß zu mir,
Die schuld jedoch bleibt dannoch dir.
CAIPHAS.
Geh nur, hier hast nichts mehr zu sprechen.
JUDAS.
Mein fluch wird euch den hals noch brechen.
CAIPHAS.
Holla! Man brauche nun gewalt.
ETLICHE.
So wird dir deine mühe bezahlt.
Stoßen ihm mit gewalt hinaus.
[116]
JUDAS.
Wan doch im himmel noch ein feyer,
So fahl es auf euch ungeheuer.
Damit es nach verdiensten strafft,
Ein so verfluchte Priesterschafft.
CAIPHAS.
Laßt ihn nur fluchen nach belieben,
Es wird uns dißfahls nichts betrüben.
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