4te Betrachtung.

[124] SCHUZGEIST.

Wie? wo ist Judas hin? ach er ist schon verdorben!

Er ist, wo alle seind, so in der sind ver storben.

Er ist, und schwizet schon in jener ewigkeit,

So der verdamten seel zur straff ist zubereith.

Kanst du, o sinder! wohl in die betrachtung ziehen

Das feyer, welchen doch kein sinder kan entfliehen,

Wan er ohn wahrer reu in lezter lebens frist

Sein armen geist aufgibt, und ein feind gottes ist.

Du kanst, o Christen mensch! an dise quall nicht denken,

Ohn das dich deine sind thut mehr alls alles kränken.[124]

Das die gedächtnuß nur dir solchen schauder bringt,

Der durch den ganzen leib bis zu der seelen tringt.

Ach! wer begreifft die pein, so in der höll zu leyden,

Wo gottes angesicht auf ewig ist zu meyden.

Wo alles unheil, noth, schmerz, quall zusammenschlagt,

Und der vergiffte wurm, stätts das gewissen nagt.

Wo man zwahr ewig stirbt, doch niemahl ab kan sterben,

Wo man den mindsten trost mit nichten kan erwerben.

Und dises ewiglich: o harte ewigkeit!

Wie theuer kommt durch dich ein kurz genoßne freid.

Gesezt man hat die lust auch 60 jahr genossen,

Was hat man zum gewin wan dise seind verflossen?

Ein ewig, ewigs weh! ein weh, das ohne endt.

Und das man erst alldorth, wan mans empfindt erkennt.

Ach sinder! wie wirst du die zeith, das orth ver fluchen,

Wan du sonst thattest nichts, als deine wollust suchen.

Jedoch ist alls umsonst: du bist schon wo du bist,

Der baum bleibt ewig ligen, wo er gefallen ist.

Bedenket dises wohl, ein mehrers kan nicht sagen,


Genug vor diß mahl, was ich hab vor getragen.


Weill mich die zeith ermahnt, was nunmehr vorzutragen.

So sehet dan, wie diß, so Christus ferners leyd,

Im alten Testament auch ware vorbedeuth.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 124-125.
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