Sechster auftritt

[120] Judas. Verzweiflung. Sathan. Belzebub. Acharoth. etc.


JUDAS wirfft den säckhl zur Sceen heraus auf den boden.

Verfluchtes geldt. Verfluchte stunden,

In denen ich dich hab gefunden.

Vermaledeyte Juden rott

Die mir das selbe anerbott.

Ja ja der geiz hat mich besessen,

Das ich so frech, und gott vergessen

Umb einen schlechten bluth gewinn

Gar zum Verräther worden bin.

Den jenen, so mich so geliebet

Der mich sein lebtag nie betriebet,

Der mir von ersten tagen an

So gros, und villes guths gethan.

Den, der als gott vom himmel kommen,

Und mich zum Jünger angenommen,

Wie auch in menschlicher gestalt,

Jezt zum versöhnungs opfer fahlt.

Den jenen liebsten gott und herren,

Den alle Engl höchst verehren,

Den hab ich nur aus geldt begürt

Nunmehr in seinen todt geführt.

Ist wohl ein Laster gleich dem meinen?

Soll mir wohl noch die sonne scheinen?[120]

Soll mich die erden noch ertragn?

Soll mich kein bliz zu boden schlagn?

Erschüttet euch ihr Elementen,

Thuet euer wuth an mir vollendten.

Ver weilet nicht, und mich erhört,

Ich bin ja noch des todtes werth?

Mein sind hat jenes zill getroffen,

Bey dem ich keine gnad zu hoffen,

Ich hab die höllen selbst gesucht,

Und bin in ewigkeit verflucht.

VERZWEIFLUNG gehet hervor.

So ists, kein gnad hast du zu hoffen,

Die höll steht dir schon würckhlich offen,

Diß leben ist dir nur zur pein,

Drum mus es baldt beschlossen sein.

JUDAS.

Mein Vatter, der mich hat erzeuget,

Mein mutter die mich hat gesäuget,

Wem immer ein erhaltungs gab

Ich sonsten zuzuschreiben hab

Ihr alle sollt in höllens gründen

Nunmehro die bezahlung finden,

Dan besser wäre mir geschehn,

Ich hätt niemahl das licht gesehn.

Ja soll ich gott nicht selbsten hassen,

Weill er mich also hat verlassen,

Bluz himmel! wan ein donner keil

Dir anderst mich zu straffen feil.


Reißt auf der brust das kleyd voneinander.


Sech! hier ist die verdamte höllen,

Der von dir so verfluchten seelen,

Die ich als eine morgen gab

Dem teuffl schon gewidmet hab.

VERZWEIFLUNG.

Da thuest du recht; auf diser erden

Sichst du ja nichts als nur beschwerden,

Der himmel sorgt sich auch nichts drum,

Und bleibt zu allen fluchen stum.

JUDAS Sathan laufft hinten her mit einer leither zu dem baum, und sizt auf selben unter die äst hinein.

So will ich mich dan selbst erhencken,

Und meine seel dem feyer schenken.[121]

VERZWEIFLUNG.

Zu disem wüntsch ich dir vill glickh,

Und überreich dir disen strickh


Judas nimbt den strickh und küsset ihn.


Kom liebstes band: – du wirst nicht brechen –


Zieht ihn ob er starckh genueg.


Du must mich an gott selbsten rächen.

Weill doch sein mir versagte gnad

Nunmehro keine würkung hat.

VERZWEIFLUNG.

Thue nur auf keine gnad mehr denken,

Und dich an disen baum erhenken,

Du hast ja noch zu disen werkh

So villen muth, so ville stärkh.

JUDAS.

Hier braucht es nicht mehr vill besinnen,

Was ein verstocktes herz gewinnen,

Und aus verzweiflung würcken kan.

Das ist in kurzer zeith gethan.


Steigt auf die leither.


Nein nein ich kan und will nicht leben,

Weill ich mein leben feil gegeben,

Will lieber durch ein kurze bein,

Mir selbst mein eigner henckher sein.


Judas macht den strikh oben an einen ast an. Legt sich solchen umb den hals und der Sathan hilfft ihm.


VERZWEIFLUNG.

Du must nun ritterlich verderben,

Und nicht als ein verzagter sterben,

Troz gott, umb das verfluchte geldt

Und scheid in lastern von der weldt.

JUDAS.

Ich kan kein sünd jezt mehr bereuen,

Will ewig mich von gott entzweyen,

Und diß dem geiz zu seinem lohn,

Sech teiffl! sech ich komme schon.


Schuzt sich zur leither hinaus und hangt.

Der Sathan drukt ihm oben das genick ab.

Belzebub, und Acheroth lauffen zu, und ziehen ihn bei denen füeßen. Ein andere schaar der geister machen einen Creis umb den baum, bietten die händ aneinander, hupfen, und springen.
[122]

SATHAN.

Nur lustig! er hat unverdrossen,

Sein leben mit dem strang beschlossen,

Und starbe wie ein helden kind

Das in der höll die lorber findt.

VERZWEIFLUNG.

Nur lustig! es hat schon gerathen,

Nun haben wür ein vetten brathen,

Secht brüder, secht an disen mann

Was endlich die verzweiflung kan.

ACHAROTH.

Nur lustig! ziecht ihn bei den füßen,

Er soll uns noch zerbersten müssen,

Ich reiß zu mehrern zeit vertreib

Ihm die gedärm aus dem leib.

BELZEBUB dem Judas hangen die gedärm heraus.

Nur lustig! das wird auf der erden

Ein recht vergnügtes schau spill werden,

Daran sich mancher geldt begird

Bey guten muth erquiken wird.

VERZWEIFLUNG.

Nur lustig! secht was unsre raben,

Hier vor ein gutte labung haben,

Die ihnen bey so langer noth

Weith sießer ist, dan zukerbrodt.

Wür wollen dan weill er uns eigen,

Ihm doch die lezte ehr erzeigen,

Laßt ihn sodan vom baum herab,

Umb ihn zu bringen in das grab.


Lassen ihn herunter.


ALLE.

Komm Judas! komme liebster bruder!

Der höllen geyer bestes luder.

Sie haben in die ewigkeit

An dir ein gutte schnabl weith.

ACHEROTH.

Laßt sehen ob in denen söcken

Gar keine silberlinge mehr stöcken.


Greifft ihm in sackh.


Ist alles lähr: ach armer mann!

Der auch sein grab nicht zahlen kan.[123]

BELZEBUB.

Er braucht nichts: dan es ist das feyer

In unsren offen gar nicht theuer.

Sein seel und leib erklöcket schon

Uns allen vor das trager lohn.


Eröffnet sich der boden, aus welchem die flammen heraus praßlen.


VERZWEIFLUNG.

Hier seind wür schon beym reich der flammen,

Kommt helffet nur geschwind zu sammen,

Und bringet ihn in jenes baad,

Das ihm der geiz bereithet hat.


Geister aus der höllen.


Komm, Judas! komm, auf dein verrathen

Mit uns zu brinnen und zu brathen.

ALLE.

Fahr hin in jene ewigkeit

So dir und uns ist zu bereith.


Werffen ihn hünein und springen nach.


VERZWEIFLUNG.

Diß ist die breidte Judas straßen,

Vor die so kein vertrauen fassen.

Auf gott und sein barmmherzigkeit,

Merkt dises, weills noch an der zeith.


Springt auch hinein.


Vierter Chor


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 120-124.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stramm, August

Gedichte

Gedichte

Wenige Wochen vor seinem Tode äußerte Stramm in einem Brief an seinen Verleger Herwarth Walden die Absicht, seine Gedichte aus der Kriegszeit zu sammeln und ihnen den Titel »Tropfblut« zu geben. Walden nutzte diesen Titel dann jedoch für eine Nachlaßausgabe, die nach anderen Kriterien zusammengestellt wurde. – Hier sind, dem ursprünglichen Plan folgend, unter dem Titel »Tropfblut« die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Gedichte in der Reihenfolge, in der sie 1915 in Waldens Zeitschrift »Der Sturm« erschienen sind, versammelt. Der Ausgabe beigegeben sind die Gedichte »Die Menscheit« und »Weltwehe«, so wie die Sammlung »Du. Liebesgedichte«, die bereits vor Stramms Kriegsteilnahme in »Der Sturm« veröffentlicht wurden.

50 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon