Eulenspiegel mit dem wirt

[226] In der lilgenweis Vogels.


1.

Eulenspiegel zu herberg lag

zu Cöllen auf ein tag;

da es war eßenzeit,

war noch kein speis bereit;

im wurt der magen brummen,

Sprach: »wirt, wil man heut eßen nit?«

der wirt sprach: »es ist sit:

wer nit kan beiten wol,

der selbig eßen sol,

wo ers mag überkummen.«

Eulenspiegel

nam ein semel

und butter schnel

und in die küchen saße

zu dem feuer, butter und semel aße.

als nun die klein ur zwelfe schlug,

der wirt zu tische trug;

als man anfieng und aß,

der wirt zu tische saß,

tet sein gest übersummen.
[227]

2.

Da sach er Eulenspiegel nicht,

int küchen gieng gericht

er, und sprach zu im: »frisch

ge hin, setz dich zu tisch

und iß mit andern gesten.«

Eulenspiegel sprach: »ich bin sat,

der rauch vom braten hat

gefüllet mir den bauch.«

der wirt sprach: »ist dein brauch,

das dich der rauch tut mesten?«

Gieng hin eilent;

als het ein ent

das mal, behent

ietlicher gast durch abe

dem wirt zwen cölnische weißpfenning gabe.

der wirt zu Eulenspiegel ging,

sprach: »gib zwen weißpfenning,

und mir auch das frümal

wie ander gest bezal,

das dünket mich am besten.«


3.

Er sprach: »ich hab nit geßen mit.«

der wirt sprach: »es schadt nit;

der bratenrauch dich hat

gemachet vol und sat;

ist gleich, sam habst mit geßen.«

Zwen weißpfenning Eulenspiegel

nam, klingelt sie gar hel,

sprach: »hörst den klang?« kurzum

sein geltlich wider num,

legts in sein tasch vermeßen.

Sprach: »wie mein bauch

mir fült der rauch,

also fült auch

dein beutel dir der klange.«

darmit nam er durch die tür sein ausgange.[228]

also wart list mit list bezalt.

uns sagt ein sprichwort alt:

Eck an den Berner kam.

sie waren beidesam

mit schalkheuten beseßen.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 226-229.
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