Ein artlich gesprech der götter, die zwitracht des römischen reichs betreffent

[78] Als ich meins alters war

treten ins fünfzigst jar,

lag ich eins nachts betrübet,

darzu mich heimlich übet[78]

in diser bösen zeit

die widerwertigkeit

in dem römischen reich,

darin man tegeleich

hielt mancherlei reichsteg,

doch alles fel und treg;

gar nichts von stat wolt gen,

zu stillen die zwispen;

ich dacht lang hin und her,

wer des ein ursach wer.

in sollichem nachdenken

tet sich zu schlafen senken

meiner augen gelider,

ins bet duckt ich mich nider

und mich zusammen schmucket,

biß mir der schlaf entzucket

mein angefochten sin.

in dem traum mir erschin

der engel Genius

und sprach zu mir: ich mus

dich etwas laßen sehen,

auf dise nacht geschehen.

gar plötzlich nam er mich

und fürt mich über sich

durch das leuchtent gestirn

der himlischen revirn

biß zu der götter trön.

der mon schin hell und schön

samt aller sternen glenster.

er stelt mich in ein fenster

an einem dunklen ort,

das ich möcht alle wort

hören in disem sal.

die götter allzumal

ein groß versamlung hetten,

zirkelrunt sitzen teten.

Jupiter auf seim tron,

sein red fieng also on:


[79] Jupiter.


Ir götter all geleich,

es hat das römisch reich

samt teutscher nation

zwitracht und widerspon,

und wirt man nit ableinen

und gütlichen vereinen

die zwispelting partei,

das frid zwischen in sei,

so muß das reich zergen,

mag lenger nit besten.

es hat zwen mechtig feint,

darumb ratschlaget heint,

das underkommen wert

der groß unfal auf ert,

wan es ist hohe zeit.


Mars.


Mars, gewapnet zum streit,

stunt auf mit bloßem schwert,

sprach: weil unden auf ert

das reich ein zwitracht hat,

so ist darauf mein rat

ich hetz sie zu eim krieg,

welche partei den sieg

gewinn, die andern dring,

nach irem willen zwing,

und sei sie darnach herr.


Jupiter.


Jovis sprach: das sei ferr,

dein rat ist ie nit gut,

dich dürstet nur nach blut,

weil aus des reiches krieg

folgt ein blutiger sieg,

mort, raub und darzu brant,

verderbung teutscher lant;[80]

darumb gefiel mir baß,

das man solch zenk und haß

durch freuntlichkeit hinleget,

welche das herz beweget.

Juno, gib du dein kraft,

ein neue gmahelschaft

beweg in regimenten

der zwispelting regenten,

dardurch einigkeit wert.


Juno.


Juno antwort: auf ert

tet ich neulich verwilgen

gemahelschaft der lilgen,

das unfrid würt gestilt,

die doch nie glauben hilt;

drumb möchts noch also gen,

baß mögst du understen

mit gelt der feintschaft schmerz,

das weicht des menschen herz

und milderts ganz und gar.


Jupiter.


Jovis sprach: das ist war,

Pluto, nim dein reichtum,

goldes ein große sum,

die fürsten zu begaben,

auf das sie fride haben,

freuntschaft und einigkeit.


Pluto.


Pluto sprach: es felt weit,

das golt würt sie erst reizen

und auf zwitracht verbeizen,[81]

freidig und trutzig machen,

würden den krieg zwifachen;

denn gwunnen die hauptleut

vom golt die besten beut,

dann würts erger den vor,

e ich mein schetz verlor,

armut bhielt lenger frid.


Jupiter.


Jupiter auf den bschid

ruft Penuriam her,

sprach: schleich hin mit gefer,

und fah in deine bant

der zwispeltigen hant,

zwing sie zu einigkeit,

das sie zu krieg und streit

werden ganz mat und schwach.


Penuria.


Penuria die sprach:

ich wil dir folgen gern,

doch werden sie beschwern

das lant durch vil aufsetz,

zu samlen große schetz,

das auch vil neits gebür.

schlag andre mittel für,

schick aller götter bot,

Mercurium, den got,

das er mit worten spech

durch sein lieblich gesprech

die vilspelting partei

fridlich vereining sei,

weil dein wort vil vermag.


Jupiter.


Jupiter auf die sag[82]

sprach: Mercuri, schwing dich

hinab auf erderich,

verkünd an alle ort

mein willen und mein wort,

gib der zwitracht entschid,

wer nit wil halten frid,

dem dro mein ungenad,

in für mein grichte lad,

da muß er sten zu bus.


Mercurius.


Da sprach Mercurius:

es ist verloren schlecht,

ieder wil haben recht

und wil kein mittel leiden,

ob gleich dein wort tut schneiden;

das der ein teil nem an,

würts der ander nicht tan,

weil im wont kreftig bei

der geist der heuchlerei

samt gschwindem orenblasen,

und handelt aller masen,

als sei er blint und taub;

darumb mein red, gelaub,

hat weder platz noch stat,

biß die finster vergat.

rat weiter du darzu.


Jupiter.


Jupiter sprach: o du

glanzender got Phebus,

erleucht ir finsternus

mit deiner sonnen glest,

zu erwelen das best;

in iren geist erleucht,

mit gütigkeit befeucht,[83]

den unfrid zu verhüten,

durch mittl all sach zu güten,

das all partei sich geben,

der warheit nachzustreben;

solch lieb und einigkeit

erhielt den frid lang zeit.


Phebus.


Phebus antwort: mein brunst

auf ert ist auch umbsunst;

ich sich die regiment,

durchaus beiderlei stent,

in vil partei zerspalten.

ir vil mein schein aufhalten,

mit vil practik und tücken

die guten zu verdrücken;

ob sie gleich wol erkennen,

recht, gut und heilig nennen

die heilig, ewig warheit

mit ir himlischen klarheit,

mit lüg sies verunreinen,

das mich verdreußt zu scheinen,

derhalb in finsternus

noch oft verkeren mus,

weil als gut ist verloren.


Saturnus.


Saturnus sprach in zoren:

gib du mir in mein hant

gwalt über teutsche lant;

wer sich denn wil entpörn,

den gmein frid zu verstörn,

den wil ich grausam töten.


Jupiter.


Jupiter sprach: von nöten

ist, das man nit mit gwalt

far, sonder frei erhalt[84]

beid teil in frid. o du,

Minerva, trit herzu,

gib rat durch dein weisheit,

das wir in einigkeit

bringen das römisch reich.

aufstunt die adeleich.


Minerva.


Minerva sprach: o der

handel ist mir zu schwer,

doch weiß ich ein person,

wenn die nit stillen kon

der teutschen fürsten zorn,

so ist all sach verlorn.


Jupiter.


Jupiter sprach: zeig on,

wer ist dieselb person,

die solch ansehen hat,

zu stillen den unrat.


Minerva.


Da antwort Minerva:

es ist Respublica.


Jupiter.


Jupiter sprach: wolhin,

ist er nit vor bei in?


Minerva.


Minerva sprach: ach nein,

abcontrafect allein,

welcher doch vor leibhaft

regieret hat mit kraft

das alt römische reich,

hanthabt es ordenleich

und machet es großmechtig,

hielt die burger eintrechtig,[85]

das sie waren allsant

einer des andern hant,

semtlich biß auf das blut

hanthabten das gmein gut

treulich durch alle stent;

des war ir regiment

stanthaft, wie obgemelt,

ein herschung aller welt.

balt aber eigner nutz

des gwalts, prachts, er und gutz

bei in riß gwaltig ein,

ieder schaut auf das sein,

da wurdens in partei

gespalten mancherlei,

vil bürgerlicher krieg

wurden mit bluting sieg,

groß tyrannei geübt,

der gmein nutz wurt betrübt,

der gmein man aus verdrieß

in auch gar fallen ließ,

also wurt er austriben.

wo er seit her ist bliben,

das kan ich dir nit sagen.

seit her nach disen tagen

hat das reich abgenommen,

in solchen abfal kommen,

das im dreut die entpörung

sein entliche zerstörung,

wie es denn ietzunt get.

wenn man nun wider het

den alten gmeinen nutz,

der möcht schaffen vil gutz,

brecht wider in der zeit

stet frid und einigkeit

in dem römischen reich.

der rat gar löbeleich

gefiel den göttern allen,

allein tet widerkallen

Mars und auch Saturnus.


[86] Jupiter.


Jupiter sprach: man mus

folgen der merern sum;

befalch Mercurium,

das er den gmeinen nutz,

den vatter alles gutz,

wölt in sein tron citiern

on alles excusiern,

das er in eilents sent

römischem regiment,

den zwitracht und unwilln

bei in gar abzustilln,

auf das forthin auf ert

ent nemen all beschwert.


Mercurius.


Mercurius sprach: gern,

doch must du mir erklern,

wo ich in finden sol.


Jupiter.


Jupiter sprach: ja wol,

such in in den reichssteten,

die in vor jaren hetten

in hohem acht und wert.


Mercurius.


Mercurius, auf ert,

sprach, tu ich teglich wandlen,

mit den menschen zu handlen,

doch hab ich, mag ich jehen,

den gmein nutz lang nie gsehen,

sein weder stumpf noch stil.

ich hör wol von im vil

sagen in stet und mauren,

in dörfern von den bauren,[87]

in schlößern, merk und flecken;

das macht mir einen schrecken,

das ich in auf der reis

nirgent zu suchen weis.


Jupiter.


Jupiter sprach besunder:

erst nimt mich nimmer wunder,

das es so übel get,

im reich zwitrechtig stet,

weil der gemeine nutz,

des römisch reiches schutz,

wont bei öbern noch undern;

mich tut vil mer verwundern,

das römisch reich vor langen

jarn nit zu grunt ist gangen.

ir götter, zeiget an,

wo man doch finden kan

den gmein nutz obgemelt,

wo man in aller welt

iezt sein fußstapfen spür.


Luna.


Luna die trat herfür,

sprach: wol vor alten jaren

sach ich eins nachts in faren

aus ganzem Europa,

und wolt in Asia,

wider in Kriechenlant,

villeicht zu Athen wont.


Diana.


Die göttin Diana

sprach: er ist nimmer da,

vor vil jarn ausgeschlagen.

neulich, als ich wolt jagen,

fant ich in mit mein winden

weit in dem walt dort hinden,[88]

sitzent bei einem brunnen,

sein antlitz überrunnen

mit ganz kleglichen zehern.

als ich mich im tet nehern,

verbarg er sein angsicht,

wolt mich ansehen nicht,

schemt sich leicht seins ellents,

und floch schnell und behents

in ein finster steinhol,

darin gedenk ich wol

den vertribenen alten

heutigs tags noch haushalten.


Jupiter.


Jupiter sprach: so eil,

bring raus das menschlich heil

aus vertribnem ellent,

zu hülf dem regiment.

Mercurius schwang nider

sein lautreisig gefider.

dieweil hielt heimlich rat

der götter majestat,

stießen die köpf zusam,

das ich kein wort vernam.


Mercurius.


Nach dem Mercurius

ganz vogelschnell aufschuß

mit trauriger geber

und sprach: o Jupiter,

den gmein nutz hab ich funden,

doch vol tötlicher wunden

und mit krankheit geplakt,

an hent und füß contrakt,

sein leib ganz ausgedorret,

gerumpfen und verschmorret,[89]

das an im hieng allein

in der haut das gebein;

sein öber lebs am munt

sein zen kaum decken kunt,

sein antlitz gar erblichen,

all lebent geist gewichen,

sein herz allein kunt lechzen

mit abkreftigem echzen,

gar kurzem atemzug,

der puls gemachsam schlug.

ich dorft in nit anrüren,

mit mir herauf zu füren,

ich förcht, er möcht verderben,

mir underwegen sterben,

wan er ist tötlich schwach.


Jupiter.


In großem ungemach

winkt der got Jupiter

Esculapio her,

dem got aller erznei,

und sprach: gerüstet sei

und schwing dich eilent nider

mit Mercurio wider

zu dem hohen gescheft;

nim aller kreuter seft,

der götter trank, nectar;

darmit fleißig bewar

Rempublicam, den alten,

im leben in zu halten.

von verlegner kristier

in seuberlich purgier!

tu im sein wunden heften,

bring im zu voring kreften

all glider, bein und mark,

das er wert frisch und stark!

bring in im augenblick

herauf, das ich in schick[90]

auf ert, zu reformiern,

das fridlich concordiern

die herschenden regenten

samt allen reiches stenden,

das der adler mög wider

schwingen sein ganz gefider,

den trachen zu vertilgen

samt der vergiften lilgen.


Der beschluß

Balt sich die zwen abschwungen,

wart von der Siren zungen

in aller götter trön

ein wunniglich getön

mit jubel und frolocken.

mein herz vor freud tet schocken,

Rempublicam zu sehen;

in dem fieng an zu krehen

mein lautreisiger hon,

das ich erwacht darvon.

das ich des endes nicht

erreicht in dem gesicht,

des trauret mein gemüt,

hoff, got wert durch sein güt

selb all zwitracht ableinen

und durch sein wort vereinen

im reich all stet und fürsten,

das sie nach frid wert dürsten,

auf das in hohem rum

das römisch keisertum

sich wider mer und wachs

durch gmein nutz, wünscht Hans Sachs.


Anno salutis 1544. am 3. tag Martij.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 78-91.
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