Schwank: Des schefers warzeichen

[259] Vor jarn in Meinz ein kremer saß,

der Hans Appol genennet was.

als er zur mess gen Frankfurt wolt

und im sein kram einkaufen solt,

da baten sein nachbauren in,

wann er köm in die mess dorthin,

das er in solt kaufen dermas

eim dises und dem andern das,

dienstlich zu irer kremerei,

von war und gattung mancherlei.

er sprach: das als ich gern tun wil,

wiewol ich hab zu schaffen vil

selb mit meim handel in der mess;

das ich nit etlich stück vergeß,

schreib mir iedr ein denkzettel an,

was ich im sol einkaufen tan.

als man im vil denkzettel bracht,

doch keinr keins gelts darin gedacht,

biß ein schefer im ganzen haufen

bat, er solt im ein sackpfeif kaufen.

dem gab er einen jochimstaler,

das er wer der sackpfeif ein zaler,[259]

auf das er in Frankfurter mess

seiner sackpfeifen nit vergeß.

als nun Hans Appol auf die fart

hin auf die mess bereitet wart,

das er zu schif, doch nit allein,

fur hin gen Frankfurt auf dem Mein,

als sie ans laut nun kamen dar,

da lud Hans Appol aus sein war,

legt die denkzettel auf ein haufen,

was er ein iedem ein solt kaufen;

da kam ins schif ein starker wint

und warf die denkzettel geschwint

dahin aus dem schif in den Mein.

keiner blib da im schif, allein

der, drauf der jochimstaler lag,

der den denkzettel bschweren pflag;

darumb die sackpfeif kaufen was,

die andern zettel er vergaß,

die warn all von dem wint ertrunken

und in dem Mein zu grunt gesunken,

das der sturmwint hat hin zerstreut;

da war umbsonst mü und arbeit.


Der beschluß

Bei dem merk hie ein iederman,

wer im etwas laß bringen tan,

aus einem jarmarkt oder mess

laß kaufen, das er nit vergeß

des schefers zeichn, den jochimstaler;

der ist der war ein rechter zaler.

dem kremer einzukaufen gsundert

waren der denkzettel zweihundert,

die mit hohem wert sint gemeßen;

der zalung aber wirt vergeßen,

die hat der sturmwint all hinblasen,

die denkzettl sint zu leicht dermasen,[260]

das man vil drumb einkaufen sol.

des schefers warzeichen hilft wol,

das macht denn einen ganz dienstwillich,

dem zalt mans wider recht und billich;

wo er abr dank zum gelt verleust,

solchs in ser im herzen verdreust,

fürbaß man in unwillig fint,

und schlegt die denkzettel in wint,

wo nit auch des schefers warzeichen

den denkzettel tut herfür reichen,

das er ist gar on sorg und schaden,

so mag er sich des wol beladen,

eim guten freunt diensthaftig sein,

im aufs getreulichst kaufen ein.

das ir freuntschaft sich mer und wachs

durch gutwillig dienst, spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1558., am 18. tag Augusti.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 259-261.
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