|
[144] Da noch auf erden gieng Christus,
und auch mit im wandert Petrus,
eins tags aus eim dorf mit im gieng,
bei einr wegscheid Petrus anfieng:
o herre got und meister mein,
mich wundert ser der güte dein,
weil du doch got allmechtig bist,
leßt es doch gen zu aller frist
in aller welt gleich wie es get,
wie Habakuk sagt, der prophet:
frevel und gewalt get für recht,
der gotlos übervorteilt schlecht
mit schalkheit den grechten und frommen,
auch kan kein recht zu ende kommen.
du leßts gen durch einander ser,
eben gleich wie die fisch im mer,
da immr einer den andrn verschlindt,
der bös den guten überwindt,[144]
des stet es übl an allen enden,
in obern und in nidern stenden,
da sichst du zu und schweigst nur stil,
sam kümmer dich die sach nit vil
und ge dich eben glat nichts an;
küntst doch als übel understan,
nemst recht int hant die herschaft dein.
o solt ich ein jar herrgot sein
und solt den gwalt haben wie du,
ich wolt anderst schauen darzu,
fürn vil ein beßer regiment
auf erderich durch alle stent;
ich wolt steuern mit meiner hant
wucher, betrug, krieg, raub und brant,
ich wolt anrichten ein rüwig leben.
der herr sprach: Petre, sag mir eben:
meinst, du woltst ie beßer regieren,
all ding auf ert baß ordinieren,
die frommen schützn, die bösen plagen?
sanct Peter tet hinwider sagen:
ja, es müst in der welt baß sten,
nit also durch einander gen;
ich wolt wol beßre ordnung halten.
der herr sprach: nun, so must verwalten,
Petre, die götlich herschaft mein,
heut den tag solt du herrgot sein;
schaff und gebeut als, was du wilt,
sei hart, streng, gütig oder milt,
gib auf ert fluch oder den segen,
gib schön wetter, wint oder regen,
du magst strafen oder belonen,
plagen, schützen oder verschonen,
in summa, mein ganz regiment
sei heut den tag in deiner hent.
darmit reichet der herr sein stab
Petro, den in sein hende gab.
Petrus war des gar wolgemut,
daucht sich der herlichkeit ser gut.[145]
in dem kam her ein armes weib,
ganz dürr, mager und bleich von leib,
barfuß in eim zerrißen kleit,
die trib ir geiß hin auf die weit.
da sie mit auf die wegscheid kam,
sprach sie: ge hin in gottes nam,
got bhüt und bschütz dich immerdar,
das dir kein übel widerfar
von wolfen oder ungewitter,
wan ich kan warlich ie nit mitter,
ich muß gen arbeitn das taglon,
heint ich sonst nichts zu eßen hon
daheim mit meinen kleinen kinden;
nun ge hin, wo du weit magst finden,
got der hüt dein mit seiner hent.
mit dem die frau wider umbwent
ins dorf; so gieng die geiß ir stras.
der herr zu Petro sagen was:
Petre, hast das gebet der armen
gehört? du must dich ir erbarmen,
weil ja den tag bist herrgot du,
so steet dir auch billich zu,
das du die geiß nemst in dein hut,
wie sie von herzen bitten tut,
und behüt sie den ganzen tag,
das sie sich nicht verirr im hag,
nit fall noch mög gestolen wern,
noch sie zerreißen wolf noch bern,
auf das den abent widerum
die geiß heim unbeschedigt kum
der armen frauen in ir haus;
ge hin und richt die sach wol aus!
Petrus nam nach des herren wort
die geiß in sein hut an dem ort
und trib sie an die weit hin dann.
sich fieng sanct Peters unru an;
die geiß war mutig, jung und frech
und blibe gar nit in der nech,[146]
loff auf der weide hin und wider,
stig ein berg auf, den andern nider
und schloff hin und her durch die stauden,
Petrus mit echzen, blasn und schnauden
must immer nachtrollen der geiß,
barhaupt. nun schin die sonn gar heiß,
der schweiß über sein leib abran.
mit unru verzert der alt man
den tag biß auf den abent spat,
machtlos, hellig, ganz müd und mat
die geiß er widerumb heim bracht.
der herr sach Petrum an und lacht,
sprach: Petre, wilt mein regiment
noch lenger bhaltn in deiner hent?
Petrus sprach: lieber herre mein,
nim wider hin den stabe dein
und dein gwalt, ich beger mit nichten
forthin dein ampt mer auszurichten;
ich merk, das mein weisheit kaum töcht,
das ich ein geiß regieren möcht
mit großer angst, mü und arbeit;
o herr, vergib mir mein torheit,
ich wil fort der regierung dein
weil ich leb nit mer reden ein.
der herr sprach: Petre, dasselb tu,
so lebst du stet mit stiller ru,
und vertrau mir in meine hent
das allmechtige regiment.
Dise fabel ist von den alten
uns zu vermanung fürgehalten,
das der mensch hie in diser zeit
gottes unerforschlich weisheit[147]
und sein allmechtigen gewalt,
wie er himel und ert erhalt
und die verborgenlich regier,
nach seinem willen ordinier
alle geschöpf und creatur
als der allmechtig schöpfer pur,
im allein sag lob, preis und er
und forsch darnach nit weiter mer
aus fürwitz, mutwillig und frech,
warumb diß oder jens geschech,
warum got solch übel verheng,
sein straf verziech biß in die leng,
und die bosheit so ob laß schweben.
all solch gedanken kommen eben
gefloßen her aus fleisch und blut,
das aus torheit urteilen tut
und leßt sich dunken in den sachen,
es wöll ein ding vil beßer machen
denn got selber in seinem tron,
und wenns im solt von nöten ton,
solt er mit mü, not, angst und schweiß
auch hie regieren kaum ein geiß.
o mensch, erkenn dein unvermügen,
das dein weisheit und kreft nit tügen
nachzuforschen götlichem willen.
laß den glauben dein herze stillen,
das got on ursach nichtsen tu,
sonder aufs best, und sei zu ru.
dergleich urteil in diser zeit
auch nit die weltlich oberkeit,
sam solts das tun und jenes laßen,
dieweil sie ist von got der maßen
zu regieren hie auserwelt
und seim volk zu gut fürgestelt,
das sie gottes befelch ausricht;
und ob sie gleich dasselb tut nicht,
sonder eben das widerspil,
so ist es doch auch gottes will,[148]
zu straf der großen sünde dein.
sie wirt tragen das urteil sein,
derhalb mans auch nit urteiln sol.
bitten und beten mag man wol,
das uns got wöll die sünt verzeihen
und sein gunst und genad verleihen
der oberkeit im regiment,
weil ir herz stet in seiner hent.
auf das ru und frid auferwachs
in christlicher gmein, wünscht Hans Sachs.
Anno salutis 1555, am 8. tag Octobris.
Ausgewählte Ausgaben von
Spruchgedichte (Auswahl)
|
Buchempfehlung
Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.
110 Seiten, 4.40 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro