13. Bergreiselied

[347] Auf mutig! Die Höh' ist erstiegen:

Ihr Freunde, wo bleibt ihr zurück?

Wie herrlich die Thäler dort liegen!

Tief unten verliert sich mein Blick.

Ich atme die süßesten Düfte,

Schon wallet viel leichter mein Blut;

Schon trink' ich ätherische Lüfte,

Und jauchze, und schwinge den Hut!


Dort setzen die Hirten zu Mahle

Auf moosichte Steine uns hin

Voll lieblicher Milch eine Schale;

Ein Körbchen, mit Früchten darin.

Kommt, laßt uns zusammen itzt leeren

Den schäumenden vollen Pokal,

Und schallen, der Freiheit zu Ehren,

Gesänge hinab in das Thal.
[347]

Hier sprudeln aus Felsen die Quellen

Hinunter zum bläulichen See;

Dort weiden, beim Klange der Schellen,

Die Rinder im blumichten Klee.

Ich seh' auf die schroffeste Spitze

Die schüchternen Gemsen entfliehn;

Tief unter mir zucken die Blitze

Und schweben die Wolken dahin.


Wann Sterne am Himmel schon flimmern,

Und Dämmerung sinket ins Thal,

Und rosig die Gletscher noch schimmern

Im letzten ersterbenden Strahl;

Dann wallen wir fröhlich und munter,

Mit Reisern von Tannen geschmückt,

Ins stillere Dörfchen hinunter,

Wo süßere Ruh' uns erquickt.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 347-348.
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