Im Sturm

[410] Wagt' ich mich von des Lebens Strand

Zu weit hinaus? In Dunkel schwand

Des Tages letzter Schimmer;

Nur hie und da hinunter gießt

Ein Blitz, der durch die Wolken schießt,

Sein zackiges Geflimmer.
[410]

Bis auf des Meeres schwarzen Grund

Hinab reißt uns der Wogenschlund;

Dann wieder auf den Wellen

Wirft himmelwärts der Sturm das Schiff;

Ein Stoß nur, und am Felsenriff

Des Kaps muß es zerschellen.


Auch du, zu dem als Kind empor

An meines Vaterhauses Thor

Ich schon in Andacht schaute,

Verhüllst du dich in Finsternis,

O Stern, auf den ich siegsgewiß

Des Lebens Hoffnung baute?


Du hörtest meinen Seelenschwur,

Daß nicht auf Erden meine Spur

Im Wind verwehen solle,

Und gabst mir Mut auf meinem Gang

Und Kraft, wenn ich empor mich rang

Vom Staub der niedern Scholle.


Strahl auf! Ich fände Ruhe nicht

Dort unten, wenn ich Luft und Licht

Zu früh verlassen müßte!

Noch ist mein Tagwerk nicht vollbracht;

O führ zurück durch Sturm und Nacht

Mich an des Lebens Küste!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 410-411.
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