Siebenter Auftritt


[740] Johanna. Montgomery.


JOHANNA.

Du bist des Todes! Eine britsche Mutter zeugte dich.

MONTGOMERY fällt ihr zu Füßen.

Halt ein, Furchtbare! Nicht den Unverteidigten

Durchbohre. Weggeworfen hab ich Schwert und Schild,

Zu deinen Füßen sink ich wehrlos, flehend hin.

Laß mir das Licht des Lebens, nimm ein Lösegeld.

Reich an Besitztum wohnt der Vater mir daheim

Im schönen Lande Wallis, wo die schlängelnde[740]

Savern' durch grüne Auen rollt den Silberstrom,

Und funfzig Dörfer kennen seine Herrschaft an.

Mit reichem Golde löst er den geliebten Sohn,

Wenn er mich im Frankenlager lebend noch vernimmt.

JOHANNA.

Betrogner Tor! Verlorner! In der Jungfrau Hand

Bist du gefallen, die verderbliche, woraus

Nicht Rettung noch Erlösung mehr zu hoffen ist.

Wenn dich das Unglück in des Krokodils Gewalt

Gegeben oder des gefleckten Tigers Klaun,

Wenn du der Löwenmutter junge Brut geraubt,

Du könntest Mitleid finden und Barmherzigkeit,

Doch tödlich ists, der Jungfrau zu begegnen.

Denn dem Geisterreich, dem strengen, unverletzlichen,

Verpflichtet mich der furchtbar bindende Vertrag,

Mit dem Schwert zu töten alles Lebende, das mir

Der Schlachten Gott verhängnisvoll entgegenschickt.

MONTGOMERY.

Furchtbar ist deine Rede, doch dein Blick ist sanft,

Nicht schrecklich bist du in der Nähe anzuschaun,

Es zieht das Herz mich zu der lieblichen Gestalt.

O bei der Milde deines zärtlichen Geschlechts

Fleh ich dich an. Erbarme meiner Jugend dich!

JOHANNA.

Nicht mein Geschlecht beschwöre! Nenne mich nicht Weib.

Gleichwie die körperlosen Geister, die nicht frein

Auf irdsche Weise, schließ ich mich an kein Geschlecht

Der Menschen an, und dieser Panzer deckt kein Herz.

MONTGOMERY.

O bei der Liebe heilig waltendem Gesetz,

Dem alle Herzen huldigen, beschwör ich dich.

Daheimgelassen hab ich eine holde Braut,

Schön wie du selbst bist, blühend in der Jugend Reiz.

Sie harret weinend des Geliebten Wiederkunft,

O wenn du selber je zu lieben hoffst, und hoffst

Beglückt zu sein durch Liebe! Trenne grausam nicht

Zwei Herzen, die der Liebe heilig Bündnis knüpft!

JOHANNA.

Du rufest lauter irdisch fremde Götter an,

Die mir nicht heilig, noch verehrlich sind. Ich weiß

Nichts von der Liebe Bündnis, das du mir beschwörst,[741]

Und nimmer kennen werd ich ihren eiteln Dienst.

Verteidige dein Leben, denn dir ruft der Tod.

MONTGOMERY.

O so erbarme meiner jammervollen Eltern dich,

Die ich zu Haus verlassen. Ja gewiß auch du

Verließest Eltern, die die Sorge quält um dich.

JOHANNA.

Unglücklicher! Und du erinnerst mich daran,

Wie viele Mütter dieses Landes kinderlos,

Wie viele zarte Kinder vaterlos, wie viel

Verlobte Bräute Witwen worden sind durch euch!

Auch Englands Mütter mögen die Verzweiflung nun

Erfahren, und die Tränen kennenlernen,

Die Frankreichs jammervolle Gattinnen geweint.

MONTGOMERY.

O schwer ists, in der Fremde sterben unbeweint.

JOHANNA.

Wer rief euch in das fremde Land, den blühnden Fleiß

Der Felder zu verwüsten, von dem heimschen Herd

Uns zu verjagen und des Krieges Feuerbrand

Zu werfen in der Städte friedlich Heiligtum?

Ihr träumtet schon in eures Herzens eitelm Wahn,

Den freigebornen Franken in der Knechtschaft Schmach

Zu stürzen und dies große Land, gleichwie ein Boot,

An euer stolzes Meerschiff zu befestigen!

Ihr Toren! Frankreichs königliches Wappen hängt

Am Throne Gottes, eher rißt ihr einen Stern

Vom Himmelwagen, als ein Dorf aus diesem Reich,

Dem unzertrennlich ewig einigen! – Der Tag

Der Rache ist gekommen, nicht lebendig mehr

Zurückemessen werdet ihr das heilge Meer,

Das Gott zur Länderscheide zwischen euch und uns

Gesetzt, und das ihr frevelnd überschritten habt.

MONTGOMERY läßt ihre Hand los.

O ich muß sterben! Grausend faßt mich schon der Tod.

JOHANNA.

Stirb, Freund! Warum so zaghaft zittern vor dem Tod,

Dem unentfliehbaren Geschick? – Sieh mich an! Sieh!

Ich bin nur eine Jungfrau, eine Schäferin

Geboren, nicht des Schwerts gewohnt ist diese Hand,

Die den unschuldig frommen Hirtenstab geführt.[742]

Doch weggerissen von der heimatlichen Flur,

Vom Vaters Busen, von der Schwestern lieber Brust

Muß ich hier, ich muß – mich treibt die Götterstimme, nicht

Eignes Gelüsten, – euch zu bitterm Harm, mir nicht

Zur Freude, ein Gespenst des Schreckens würgend gehn,

Den Tod verbreiten und sein Opfer sein zuletzt!

Denn nicht den Tag der frohen Heimkehr werd ich sehn,

Noch vielen von den Euren werd ich tödlich sein,

Noch viele Witwen machen, aber endlich werd

Ich selbst umkommen und erfüllen mein Geschick.

– Erfülle du auch deines. Greife frisch zum Schwert,

Und um des Lebens süße Beute kämpfen wir.

MONTGOMERY steht auf.

Nun, wenn du sterblich bist wie ich und Waffen dich

Verwunden, kanns auch meinem Arm beschieden sein,

Zur Höll dich sendend Englands Not zu endigen.

In Gottes gnädge Hände leg ich mein Geschick.

Ruf du Verdammte deine Höllengeister an,

Dir beizustehen! Wehre deines Lebens dich!


Er ergreift Schild und Schwert und dringt auf sie ein, kriegerische Musik erschallt in der Ferne, nach einem kurzen Gefechte fällt Montgomery.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 740-743.
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