[481] Die Vorigen. Max Piccolomini.
MAX mitten in den Saal tretend.
Ja! Ja! da ist er! Ich vermags nicht länger,
Mit leisem Tritt um dieses Haus zu schleichen,
Den günstgen Augenblick verstohlen zu
Erlauern – Dieses Harren, diese Angst
Geht über meine Kräfte!
Auf Thekla zugehend, welche sich ihrer Mutter in die Arme geworfen.
O sieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel.
Bekenn es frei vor allen. Fürchte niemand.
Es höre, wer es will, daß wir uns lieben.
Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis
Ist für die Glücklichen, das Unglück braucht,
Das hoffnungslose, keinen Schleier mehr,
Frei unter tausend Sonnen kann es handeln.
Er bemerkt die Gräfin, welche mit frohlockendem Gesicht auf Thekla blickt.
Nein, Base Terzky! Seht mich nicht erwartend,
Nicht hoffend an! Ich komme nicht, zu bleiben.
Abschied zu nehmen komm ich – Es ist aus.
Ich muß, muß dich verlassen, Thekla – muß!
Doch deinen Haß kann ich nicht mit mir nehmen.
Nur einen Blick des Mitleids gönne mir,
Sag, daß du mich nicht hassest. Sag mirs, Thekla.
Indem er ihre Hand faßt, heftig bewegt.
O Gott! – Gott! Ich kann nicht von dieser Stelle.
Ich kann es nicht – kann diese Hand nicht lassen.
Sag, Thekla, daß du Mitleid mit mir hast,
Dich selber überzeugst, ich kann nicht anders.
Thekla seinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater, er wendet sich nach dem Herzog um, den er jetzt erst gewahr wird.
Du hier? – Nicht du bists, den ich hier gesucht.
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen.
Ich hab es nur mit ihr allein. Hier will ich,[481]
Von diesem Herzen freigesprochen sein,
An allem andern ist nichts mehr gelegen.
WALLENSTEIN.
Denkst du, ich soll der Tor sein und dich ziehen lassen,
Und eine Großmutsszene mit dir spielen?
Dein Vater ist zum Schelm an mir geworden,
Du bist mir nichts mehr als sein Sohn, sollst nicht
Umsonst in meine Macht gegeben sein.
Denk nicht, daß ich die alte Freundschaft ehren werde,
Die er so ruchlos hat verletzt. Die Zeiten
Der Liebe sind vorbei, der zarten Schonung,
Und Haß und Rache kommen an die Reihe.
Ich kann auch Unmensch sein, wie er.
MAX.
Du wirst mit mir verfahren, wie du Macht hast.
Wohl aber weißt du, daß ich deinem Zorn
Nicht trotze, noch ihn fürchte. Was mich hier
Zurück hält, weißt du!
Thekla bei der Hand fassend.
Sieh! Alles – alles wollt ich dir verdanken,
Das Los der Seligen wollt ich empfangen
Aus deiner väterlichen Hand. Du hasts
Zerstört, doch daran liegt dir nichts. Gleichgültig
Trittst du das Glück der Deinen in den Staub,
Der Gott, dem du dienst, ist kein Gott der Gnade.
Wie das gemütlos blinde Element,
Das furchtbare, mit dem kein Bund zu schließen,
Folgst du des Herzens wildem Trieb allein.
Weh denen, die auf dich vertraun, an dich
Die sichre Hütte ihres Glückes lehnen,
Gelockt von deiner gastlichen Gestalt!
Schnell, unverhofft, bei nächtlich stiller Weile
Gärts in dem tückschen Feuerschlunde, ladet
Sich aus mit tobender Gewalt, und weg
Treibt über alle Pflanzungen der Menschen
Der wilde Strom in grausender Zerstörung.
WALLENSTEIN.
Du schilderst deines Vaters Herz. Wie dus[482]
Beschreibst, so ists in seinem Eingeweide,
In dieser schwarzen Heuchlersbrust gestaltet.
O mich hat Höllenkunst getäuscht. Mir sandte
Der Abgrund den verstecktesten der Geister,
Den Lügekundigsten herauf, und stellt' ihn
Als Freund an meine Seite. Wer vermag
Der Hölle Macht zu widerstehn! Ich zog
Den Basilisken auf an meinem Busen,
Mit meinem Herzblut nährt ich ihn, er sog
Sich schwelgend voll an meiner Liebe Brüsten,
Ich hatte nimmer Arges gegen ihn,
Weit offen ließ ich des Gedankens Tore,
Und warf die Schlüssel weiser Vorsicht weg –
Am Sternenhimmel suchten meine Augen,
Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
Im Herzen meines Herzens eingeschlossen.
– Wär ich dem Ferdinand gewesen, was
Octavio mir war – Ich hätt ihm nie
Krieg angekündigt – nie hätt ichs vermocht.
Er war mein strenger Herr nur, nicht mein Freund,
Nicht meiner Treu vertraute sich der Kaiser.
Krieg war schon zwischen mir und ihm, als er
Den Feldherrnstab in meine Hände legte,
Denn Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn,
Nur zwischen Glauben und Vertraun ist Friede.
Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet
Das werdende Geschlecht im Leib der Mutter!
MAX.
Ich will den Vater nicht verteidigen.
Weh mir, daß ichs nicht kann!
Unglücklich schwere Taten sind geschehn,
Und eine Frevelhandlung faßt die andre
In enggeschloßner Kette grausend an.
Doch wie gerieten wir, die nichts verschuldet,
In diesen Kreis des Unglücks und Verbrechens?
Wem brachen wir die Treue? Warum muß
Der Väter Doppelschuld und Freveltat[483]
Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden?
Warum der Väter unversöhnter Haß
Auch uns, die Liebenden, zerreißend scheiden?
Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz.
WALLENSTEIN hat den Blick schweigend auf ihn geheftet und nähert sich jetzt.
Max! Bleibe bei mir. – Geh nicht von mir, Max!
Sieh, als man dich im Pragschen Winterlager
Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben,
Des deutschen Winters ungewohnt, die Hand
War dir erstarrt an der gewichtigen Fahne,
Du wolltest männlich sie nicht lassen, damals nahm ich
Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel,
Ich selbst war deine Wärterin, nicht schämt ich
Der kleinen Dienste mich, ich pflegte deiner
Mit weiblich sorgender Geschäftigkeit,
Bis du von mir erwärmt, an meinem Herzen,
Das junge Leben wieder freudig fühltest.
Wann hab ich seitdem meinen Sinn verändert?
Ich habe viele Tausend reich gemacht,
Mit Ländereien sie beschenkt, belohnt
Mit Ehrenstellen – dich hab ich geliebt,
Mein Herz, mich selber hab ich dir gegeben.
Sie alle waren Fremdlinge, du warst
Das Kind des Hauses – Max! du kannst mich nicht verlassen!
Es kann nicht sein, ich mags und wills nicht glauben,
Daß mich der Max verlassen kann.
MAX.
O Gott!
WALLENSTEIN.
Ich habe dich gehalten und getragen
Von Kindesbeinen an – Was tat dein Vater
Für dich, das ich nicht reichlich auch getan?
Ein Liebesnetz hab ich um dich gesponnen,
Zerreiß es, wenn du kannst – Du bist an mich
Geknüpft mit jedem zarten Seelenbande,
Mit jeder heilgen Fessel der Natur,
Die Menschen aneinanderketten kann.
Geh hin, verlaß mich, diene deinem Kaiser,[484]
Laß dich mit einem goldnen Gnadenkettlein,
Mit seinem Widderfell dafür belohnen,
Daß dir der Freund, der Vater deiner Jugend,
Daß dir das heiligste Gefühl nichts galt.
MAX in heftigem Kampf.
O Gott! Wie kann ich anders? Muß ich nicht?
Mein Eid – die Pflicht –
WALLENSTEIN.
Pflicht, gegen wen? Wer bist du?
Wenn ich am Kaiser unrecht handle, ists
Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehörst
Du dir? Bist du dein eigener Gebieter,
Stehst frei da in der Welt wie ich, daß du
Der Täter deiner Taten könntest sein?
Auf mich bist du gepflanzt, ich bin dein Kaiser,
Mir angehören, mir gehorchen, das
Ist deine Ehre, dein Naturgesetz.
Und wenn der Stern, auf dem du lebst und wohnst,
Aus seinem Gleise tritt, sich brennend wirft
Auf eine nächste Welt und sie entzündet,
Du kannst nicht wählen, ob du folgen willst,
Fort reißt er dich in seines Schwunges Kraft,
Samt seinem Ring und allen seinen Monden.
Mit leichter Schuld gehst du in diesen Streit,
Dich wird die Welt nicht tadeln, sie wirds loben,
Daß dir der Freund das meiste hat gegolten.
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Wallenstein
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