Achter Auftritt


[508] Buttler und Gordon.


GORDON ihnen nachsehend.

Die Unglückseligen! Wie ahnungslos

Sie in das ausgespannte Mordnetz stürzen

In ihrer blinden Siegestrunkenheit! –[508]

Ich kann sie nicht beklagen. Dieser Illo,

Der übermütig freche Bösewicht,

Der sich in seines Kaisers Blut will baden!

BUTTLER.

Tut, wie er Euch befohlen. Schickt Patrouillen

Herum, sorgt für die Sicherheit der Festung;

Sind jene oben, schließ ich gleich die Burg,

Daß in der Stadt nichts von der Tat verlaute!

GORDON ängstlich.

O eilt nicht so! Erst sagt mir –

BUTTLER.

Ihr vernahmts,

Der nächste Morgen schon gehört den Schweden.

Die Nacht nur ist noch unser, sie sind schnell,

Noch schneller wollen wir sein – Lebet wohl.

GORDON.

Ach Eure Blicke sagen mir nichts Gutes.

Versprechet mir –

BUTTLER.

Der Sonne Licht ist unter,

Herabsteigt ein verhängnisvoller Abend –

Sie macht ihr Dünkel sicher. Wehrlos gibt sie

Ihr böser Stern in unsre Hand, und mitten

In ihrem trunknen Glückeswahne soll

Der scharfe Stahl ihr Leben rasch zerschneiden.

Ein großer Rechenkünstler war der Fürst

Von jeher, alles wußt er zu berechnen,

Die Menschen wußt er, gleich des Brettspiels Steinen,

Nach seinem Zweck zu setzen und zu schieben,

Nicht Anstand nahm er, andrer Ehr und Würde

Und guten Ruf zu würfeln und zu spielen.

Gerechnet hat er fort und fort und endlich

Wird doch der Kalkul irrig sein, er wird

Sein Leben selbst hineingerechnet haben,

Wie jener dort in seinem Zirkel fallen.

GORDON.

O seiner Fehler nicht gedenket jetzt!

An seine Größe denkt, an seine Milde,

An seines Herzens liebenswerte Züge,

An alle Edeltaten seines Lebens,

Und laßt sie in das aufgehobne Schwert

Als Engel bittend, gnadeflehend fallen.[509]

BUTTLER.

Es ist zu spät. Nicht Mitleid darf ich fühlen,

Ich darf nur blutige Gedanken haben.


Gordons Hand fassend.


Gordon! Nicht meines Hasses Trieb – Ich liebe

Den Herzog nicht, und hab dazu nicht Ursach –

Doch nicht mein Haß macht mich zu seinem Mörder.

Sein böses Schicksal ists. Das Unglück treibt mich,

Die feindliche Zusammenkunft der Dinge.

Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun,

Umsonst! Er ist das Spielwerk nur der blinden

Gewalt, die aus der eignen Wahl ihm schnell

Die furchtbare Notwendigkeit erschafft.

Was hälfs ihm auch, wenn mir für ihn im Herzen

Was redete – Ich muß ihn dennoch töten.

GORDON.

O wenn das Herz Euch warnt, folgt seinem Triebe!

Das Herz ist Gottes Stimme, Menschenwerk

Ist aller Klugheit künstliche Berechnung.

Was kann aus blutger Tat Euch Glückliches

Gedeihen? O aus Blut entspringt nichts Gutes!

Soll sie die Staffel Euch zur Größe bauen?

O glaubt das nicht – Es kann der Mord bisweilen

Den Königen, der Mörder nie gefallen.

BUTTLER.

Ihr wißt nicht. Fragt nicht. Warum mußten auch

Die Schweden siegen und so eilend nahn!

Gern überließ ich ihn des Kaisers Gnade,

Sein Blut nicht will ich. Nein, er möchte leben.

Doch meines Wortes Ehre muß ich lösen,

Und sterben muß er, oder – hört und wißt! –

Ich bin entehrt, wenn uns der Fürst entkommt.

GORDON.

O solchen Mann zu retten –

BUTTLER schnell.

Was?

GORDON.

Ist eines Opfers wert – Seid edelmütig!

Das Herz und nicht die Meinung ehrt den Mann.

BUTTLER kalt und stolz.

Er ist ein großer Herr, der Fürst – Ich aber

Bin nur ein kleines Haupt, das wollt Ihr sagen.

Was liegt der Welt dran, meint Ihr, ob der niedrig[510]

Geborene sich ehret oder schändet,

Wenn nur der Fürstliche gerettet wird.

– Ein jeder gibt den Wert sich selbst. Wie hoch ich

Mich selbst anschlagen will, das steht bei mir.

So hochgestellt ist keiner auf der Erde,

Daß ich mich selber neben ihm verachte.

Den Menschen macht sein Wille groß und klein,

Und weil ich meinem treu bin, muß er sterben.

GORDON.

O einen Felsen streb ich zu bewegen!

Ihr seid von Menschen menschlich nicht gezeugt.

Nicht hindern kann ich Euch, ihn aber rette

Ein Gott aus Eurer fürchterlichen Hand.


Sie gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 508-511.
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