Dritter Auftritt


[528] Ein Saal, aus dem man in eine Galerie gelangt, die sich weit nach hinten verliert.

Wallenstein sitzt an einem Tisch. Der schwedische Hauptmann steht vor ihm. Bald darauf Gräfin Terzky.


WALLENSTEIN.

Empfehlt mich Eurem Herrn. Ich nehme teil

An seinem guten Glück, und wenn Ihr mich

So viele Freude nicht bezeigen seht,[528]

Als diese Siegespost verdienen mag,

So glaubt, es ist nicht Mangel guten Willens,

Denn unser Glück ist nunmehr eins. Lebt wohl!

Nehmt meinen Dank für Eure Müh. Die Festung

Soll sich euch auftun morgen, wenn ihr kommt.


Schwedischer Hauptmann geht ab. Wallenstein sitzt in tiefen Gedanken, starr vor sich hinsehend, den Kopf in die Hand gesenkt. Gräfin Terzky tritt herein, und steht eine Zeitlang vor ihm unbemerkt, endlich macht er eine rasche Bewegung, erblickt sie und faßt sich schnell.


Kommst du von ihr? Erholt sie sich? Was macht sie?

GRÄFIN.

Sie soll gefaßter sein nach dem Gespräch,

Sagt mir die Schwester – Jetzt ist sie zu Bette.

WALLENSTEIN.

Ihr Schmerz wird sanfter werden. Sie wird weinen.

GRÄFIN.

Auch dich, mein Bruder, find ich nicht wie sonst.

Nach einem Sieg erwartet ich dich heitrer.

O bleibe stark! Erhalte du uns aufrecht,

Denn du bist unser Licht und unsre Sonne.

WALLENSTEIN.

Sei ruhig. Mir ist nichts – Wo ist dein Mann?

GRÄFIN.

Zu einem Gastmahl sind sie, er und Illo.

WALLENSTEIN steht auf und macht einige Schritte durch den Saal.

Es ist schon finstre Nacht – Geh auf dein Zimmer.

GRÄFIN.

Heiß mich nicht gehn, o laß mich um dich bleiben.

WALLENSTEIN ist ans Fenster getreten.

Am Himmel ist geschäftige Bewegung,

Des Turmes Fahne jagt der Wind, schnell geht

Der Wolken Zug, die Mondessichel wankt,

Und durch die Nacht zuckt ungewisse Helle.

– Kein Sternbild ist zu sehn! Der matte Schein dort,

Der einzelne, ist aus der Kassiopeia,

Und dahin steht der Jupiter – Doch jetzt

Deckt ihn die Schwärze des Gewitterhimmels!


Er versinkt in Tiefsinn und sieht starr hinaus.


GRÄFIN die ihm traurig zusieht, faßt ihn bei der Hand.

Was sinnst du?

WALLENSTEIN.

Mir deucht, wenn ich ihn sähe, wär mir wohl.

Es ist der Stern, der meinem Leben strahlt,

Und wunderbar oft stärkte mich sein Anblick.


Pause.[529]


GRÄFIN.

Du wirst ihn wiedersehn.

WALLENSTEIN ist wieder in eine tiefe Zerstreuung gefallen, er ermuntert sich, und wendet sich schnell zur Gräfin.

Ihn wiedersehn? – O niemals wieder!

GRÄFIN.

Wie?

WALLENSTEIN.

Er ist dahin – ist Staub!

GRÄFIN.

Wen meinst du denn?

WALLENSTEIN.

Er ist der Glückliche. Er hat vollendet.

Für ihn ist keine Zukunft mehr, ihm spinnt

Das Schicksal keine Tücke mehr, – sein Leben

Liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet,

Kein dunkler Flecken blieb darin zurück,

Und unglückbringend pocht ihm keine Stunde.

Weg ist er über Wunsch und Furcht, gehört

Nicht mehr den trüglich wankenden Planeten –

O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns

Die nächste Stunde schwarz verschleiert bringt!

GRÄFIN.

Du sprichst von Piccolomini. Wie starb er?

Der Bote ging just von dir, als ich kam.


Wallenstein bedeutet sie mit der Hand zu schweigen.


O wende deine Blicke nicht zurück!

Vorwärts in hellre Tage laß uns schauen.

Freu dich des Siegs, vergiß was er dir kostet.

Nicht heute erst ward dir der Freund geraubt,

Als er sich von dir schied, da starb er dir.

WALLENSTEIN.

Verschmerzen werd ich diesen Schlag, das weiß ich,

Denn was verschmerzte nicht der Mensch! Vom Höchsten

Wie vom Gemeinsten lernt er sich entwöhnen,

Denn ihn besiegen die gewaltgen Stunden.

Doch fühl ichs wohl, was ich in ihm verlor.

Die Blume ist hinweg aus meinem Leben,

Und kalt und farblos seh ichs vor mir liegen.

Denn er stand neben mir, wie meine Jugend,

Er machte mir das Wirkliche zum Traum,

Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge

Den goldnen Duft der Morgenröte webend –[530]

Im Feuer seines liebenden Gefühls

Erhoben sich, mir selber zum Erstaunen,

Des Lebens flach alltägliche Gestalten.

– Was ich mir ferner auch erstreben mag,

Das Schöne ist doch weg, das kommt nicht wieder,

Denn über alles Glück geht doch der Freund,

Ders fühlend erst erschafft, ders teilend mehrt.

GRÄFIN.

Verzag nicht an der eignen Kraft. Dein Herz

Ist reich genug, sich selber zu beleben.

Du liebst und preisest Tugenden an ihm,

Die du in ihm gepflanzt, in ihm entfaltet.

WALLENSTEIN an die Tür gehend.

Wer stört uns noch in später Nacht? – Es ist

Der Kommendant. Er bringt die Festungsschlüssel.

Verlaß uns, Schwester, Mitternacht ist da.

GRÄFIN.

O mir wird heut so schwer von dir zu gehn,

Und bange Furcht bewegt mich.

WALLENSTEIN.

Furcht? Wovor!

GRÄFIN.

Du möchtest schnell wegreisen diese Nacht,

Und beim Erwachen fänden wir dich nimmer.

WALLENSTEIN.

Einbildungen!

GRÄFIN.

O meine Seele wird

Schon lang von trüben Ahnungen geängstigt,

Und wenn ich wachend sie bekämpft, sie fallen

Mein banges Herz in düstern Träumen an.

– Ich sah dich gestern Nacht mit deiner ersten

Gemahlin, reich geputzt, zu Tische sitzen –

WALLENSTEIN.

Das ist ein Traum erwünschter Vorbedeutung,

Denn jene Heirat stiftete mein Glück.

GRÄFIN.

Und heute träumte mir, ich suchte dich

In deinem Zimmer auf – Wie ich hineintrat,

So wars dein Zimmer nicht mehr, die Kartause

Zu Gitschin wars, die du gestiftet hast,

Und wo du willst, daß man dich hin begrabe.

WALLENSTEIN.

Dein Geist ist nun einmal damit beschäftigt.

GRÄFIN.

Wie? Glaubst du nicht, daß eine Warnungsstimme[531]

In Träumen vorbedeutend zu uns spricht?

WALLENSTEIN.

Dergleichen Stimmen gibts – Es ist kein Zweifel!

Doch Warnungsstimmen möcht ich sie nicht nennen,

Die nur das Unvermeidliche verkünden.

Wie sich der Sonne Scheinbild in dem Dunstkreis

Malt, eh sie kommt, so schreiten auch den großen

Geschicken ihre Geister schon voran,

Und in dem Heute wandelt schon das Morgen.

Es machte mir stets eigene Gedanken,

Was man vom Tod des vierten Heinrichs liest.

Der König fühlte das Gespenst des Messers

Lang vorher in der Brust, eh sich der Mörder

Ravaillac damit waffnete. Ihn floh

Die Ruh, es jagt' ihn auf in seinem Louvre,

Ins Freie trieb es ihn, wie Leichenfeier

Klang ihm der Gattin Krönungsfest, er hörte

Im ahnungsvollen Ohr der Füße Tritt,

Die durch die Gassen von Paris ihn suchten –

GRÄFIN.

Sagt dir die innre Ahnungsstimme nichts?

WALLENSTEIN.

Nichts! Sei ganz ruhig!

GRÄFIN in düstres Nachsinnen verloren.

Und ein andermal,

Als ich dir eilend nachging, liefst du vor mir

Durch einen langen Gang, durch weite Säle,

Es wollte gar nicht enden – Türen schlugen

Zusammen, krachend – keuchend folgt ich, konnte

Dich nicht erreichen – plötzlich fühlt ich mich

Von hinten angefaßt mit kalter Hand,

Du warsts, und küßtest mich, und über uns

Schien eine rote Decke sich zu legen –

WALLENSTEIN.

Das ist der rote Teppich meines Zimmers.

GRÄFIN ihn betrachtend.

Wenns dahin sollte kommen – Wenn ich dich,

Der jetzt in Lebensfülle vor mir steht –


Sie sinkt ihm weinend an die Brust.


WALLENSTEIN.

Des Kaisers Achtsbrief ängstigt dich. Buchstaben

Verwunden nicht, er findet keine Hände.[532]

GRÄFIN.

Fänd er sie aber, dann ist mein Entschluß

Gefaßt – ich führe bei mir, was mich tröstet.


Geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 528-533.
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