Sechster Auftritt.

[314] Rosalinde, Faust.


FAUST. Da bin ich wieder, Jüngling. Du hast mir einen grossen Schaz in die Hände gegeben – Ich brenne vor Begierde, einzudringen in jene heiligen Tiefen der Warheit; näher zu treten jenen überirrdischen Wesen, die den Aeter durchwallen, von Sonnenstralen leben, und aus Morgenwolken geboren werden. Schon ist die grosse Stunde der ersten Erscheinungen da! Auf dem versengenden Stral der Mittagssonne, sagt dein Autor, zittern diese reinen Geister dem Geweihten herab, oder klimmen auf Flammen der Unterwelt herauf, ihm zu dienen, und zum Anschaun der Herrlichkeiten zu füren, die nur sonst Seelen, los von der Hülle des sterblichen Staubes, sehen dürfen – Aber, sagt dein Autor ferner, dieser Geweihte mus allein sein – kein irrdisches Wesen mus seine entkörperten Gedanken stören, und wieder zum Schlam der Sinnlichkeit zurükfüren können. Sinnlichkeit, färt er in seiner erhabenen Sprache fort, Sinnlichkeit ist eine Leimrute; des Geistes Flügel bleiben daran kleben, wenn er zur Sonne will. Verlas mich also, bis mir die Geister entdelt haben, ob auch du geweiht bist, und Teil nemen darfst an ihren Geheimnissen?[314]

ROSALINDE für sich. Wasser auf meine Müle; jezt kann ich meine Komödie vollenden! Zum Doktor. Grosser Mann, ich gehorche. Ab.


Quelle:
Schink, Johann Friedrich: Der neue Doktor Faust, eine Plaisanterie mit Gesang in zwei Aufzügen. In: Zum Behuf des Teutschen Teaters, Erster Beitrag, Graz 1782, S. 303–337, S. 314-315.
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