Frieden

[380] Im Sommer 1806


Wohl mag in diesen Zeiten

Verrat die Flügel breiten,

Das Edle untergehn;

Nichtig war all ihr Streben,

Und ohne Herz ihr Leben,

Wie mocht' es wohl bestehn?

Wie grünte Friede wohl,

Wo vor des Neides Bissen,

Von Gier und Angst zerrissen,

Nichts Hohes atmen soll?


Soll aber schon hienieden,

Von Gott herab, der Frieden[380]

Gürten der Erde Brust,

Daß fern der Mensch von Reue,

Sich einst in schöner Treue,

Des Himmels sei bewußt;

So kehrt zu Gott zurück!

Des Glaubens hohe Palme,

Der Hoffnung Segenshalme

Bringt euch der Liebe Glück.


O laßt das wilde Streiten,

Wollt kindlich nur bereiten

Euch auf den großen Tag,

Wo wieder hier zu kommen,

Zur Rettung aller Frommen,

Der Herr uns einst versprach.

Vom Herzen reißt den Wurm,

Seid wieder Gottes Kinder,

So wird die Zeit gelinder,

So schweigt der wilde Sturm.


Als Gott ihr widersprochen,

Die Treu' ihm hat gebrochen,

Da war es, wo's begann;

Ihr wolltet alles fassen,

Als wild ein wütend Hassen

Mit Blindheit euch umspann.

Der Tod entstieg dem Grab,

Die Liebe war entflohen,

Voll Mitleid sahn die hohen

Mächte auf uns herab.


O Torheit zu beweinen,

Daß, blinden Wahns, will meinen

Der Mensch, er sei nun frei;

Und doch in tiefem Herzen

Die rettungslosen Schmerzen,

Der schöne Bund entzwei.

Es riß des Lebens Band,

Daß alles los nun schwebet,

Im Sturme zagt und bebet,

Findt keiner Hoffnung Land.


Was schnöde ihr zerstörtet,

Da ihr euch selbst betörtet,[381]

Kann Hochmut nicht erbaun.

Was möchtet ihr ersinnen?

Ihr seht es all' zerrinnen,

Habt selber kein Vertraun.

Was Gott uns liebend gab,

Wie mögt ihr's neu erschaffen?

Der Mensch kann sich nichts schaffen,

Als nur sein eigen Grab.


Soll Friede denn euch blühen,

Müßt erst in Liebe glühen,

Erschließen euren Sinn;

Laßt euch die Worte mahnen,

Kehrt zu den alten Fahnen

Getreuer wieder hin!

In stiller Brust genährt,

Muß Fried' und Demut wohnen,

Der alte Glaube thronen,

Eh' Heil uns wiederkehrt.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 380-382.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die Betschwester. Lustspiel

Die Betschwester. Lustspiel

Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon