Vierter Auftritt.


[187] Godewin, Ulfo, Estrithe.


GODEWIN.

Komm! ich darf ohne Furcht mich auf dein Zeugniß stützen,

Wer selbst nach Ehre strebt, muß andrer Ehre schützen.

Komm, sprich hier als ein Held, der Lügen schimpflich heißt,

Der die Verläumdung haßt und iedem Recht erweist:

Du kennst mich, und du warst oft mein Gehülf im Streite,

Hier stand ich an Canuts und hier an deiner Seite,

Mit dir eilt ich zugleich ins Mittel der Gefahr,

Mit dir kam ich zurück, wenn sie besieget war.

Erinnerst du dich noch der unvergeßnen Schlachten,

Die unserm Könige der Schotten Krone brachten?

Sag der Prinzeßin doch, wie that ich meine Pflicht?

ULFO.

Du fochtest, wie man soll, wenn man um Ehre ficht.

GODEWIN.

Wer sah mich einen Schritt iemals zurückekehren,

Eh man ein froh Geschrey den Sieg ausruffen hören?[187]

Wenn hab ich meinem Feind den Rücken zugewandt?

Wenn floh ich, Ulfo?

ULFO.

Nie, so lang ich dich gekannt.

GODEWIN.

Wo ist der Lästrer nun, der meinen Schimpf erdichtet,

Der meinen Ruhm befleckt, und der mein Glück zernichtet?

Wer hat den Ruff erdacht, als hätt ich durch die Flucht

Die Rettung meines Bluts in meiner Schmach gesucht?

Prinzeßin, dieser Ruff hat mir dein Herz entrissen,

Laß mich mit dir zugleich nicht auch die Ehre missen.

Sprich, wer entdeckte dir dieß alles wider mich?

Wer hintergieng dich so?

ULFO.

Der, den du suchst, bin ich.

GODEWIN.

Du?

ULFO.

Ich.

ESTRITHE.

Unglücklicher, so hast du mich betrogen?

ULFO.

Mein Kunstgriff reut mich nicht; er war zu wohl erwogen.

Ich habe dir durch List Estrithens Herz entführt,

Du warst dieß Herz nicht werth, nur mir hat es gebührt.

Ich wiederruffe nicht, was ich von dir gesaget,

Du bist bey allem Muth ein Herz, das sklavisch zaget,

Der Ruff von deiner Flucht sey immerhin Betrug.

Die That nur ist erdacht, dein Schimpf ist wahr genug.

Dein Arm, der nur gehorcht, übt sich umsonst im Streiten:

Die Ehre, die dich flieht, die kennst du nur von weiten.

Du hast nicht das Gefühl, das sich in Helden regt.

Kein Ruhm hat dich gereitzt, kein Schimpf hat dich bewegt.

Du machst dein feiles Blut zu andrer Eigenthume,

Du lebst zu deiner Schmach und nur zu fremdem Ruhme,

Du thust aus blöder Furcht, was auch ein Sklave thut.

Dein Arm kann tapfer seyn, dein Geist ist ohne Muth.

GODEWIN.

Wenn diese Schmähungen dich selbst nicht treffen sollen,

So komm, so weißt du schon, wie wir sie enden wollen.

ULFO.

Ja! brauche nur dein Schwerdt, iedoch nicht wider mich.

Ich bins nicht, der dich schimpft, die Knechtschaft schimpfet dich:

Find ich denn überall, so eyfrig ich hier suche,

Kein Herz, das edel sey, und das der Herrschaft fluche?

Rühmt mir denn ieder nur des Königs Gütigkeit?

Ist keiner, der sich nicht ihm zu gehorchen freut?

Weiß denn Canut allein das Kunststück auf der Erde,

Wie man vergöttert sey, doch nicht beneidet werde?

Fast ieden weck ich auf, den ich nur finden kann,

Doch ieder höret mich mit Haß und Schauer an.[188]

Die Ehre des Canut sucht ieder zu erheben;

Doch keiner hat das Herz, nach gleichem Ruhm zu streben.

Sind diese Zeiten denn so ganz von Helden leer?

Ist denn ihr ganzer Schmuck Canut und niemand mehr?

Wo sind die Jahre hin, da nur der Streit ergetzte,

Da ieder nur sich selbst der Krone würdig schätzte,

Da, wenn ein tapfrer Arm kaum seine Kraft erkannt,

Er unterthan zu seyn für sich zu schimpflich fand,

Sich aus dem Staube hub, ein Heer zusammenraffte,

Und sich Gelegenheit zu grossen Thaten schaffte,

Da sich ein edler Geist durch Trutz und Unruh wieß,

Und widerspänstig seyn doch kein Verbrechen hieß?

Das Feld ward, da man es noch nicht bepflügen lernte,

Mit Leichen nur besät, und trug nur Ruhm zur Erndte.

Itzt glaubt ein ieder sich als Unterthan beglückt,

Die Güte des Canut hat allen Muth erstickt.

Die Stolzen lieben schon der Herrschaft sanfte Bande,

Und ein Verzagter hält den Ehrgeitz fast für Schande.

Erwache, Godewin, aus der Verdrossenheit,

Erhebe dich mit mir zu der Unsterblichkeit.

Gehorchen ist ein Ruhm, doch nur für schlechte Seelen:

Für größre Geister ist die Ehre zu befehlen.

Erkläre dich mit mir als Feind von dem Canut,

Was du aus Haß nicht thust, das thu aus Heldenmuth.

Gieb wenigstens von dir der Nachwelt was zu melden.

Sie sag einst: diese Zeit war unfruchtbar an Helden;

Drey Geister waren doch zu grossen Thaten kühn,

Erst Ulfo, denn Canut, und endlich Godewin.

GODEWIN.

Ich fodre keinen Ruhm, der aus dem Unrecht grünet,

Der sich durch Unglück nährt, und der nur Fluch verdienet.

Eh roste dieses Schwerdt in unberühmter Ruh,

Eh es bekannt zu seyn der Pflicht zuwider thu.

Such nur aus Heldenmuth des Landes Glück zu stören:

Ich will verzagter seyn, und meinen König ehren.

Wenn unter ihm durch mich ein Feind der Ruh erliegt,

Den Ruhm halt ich für groß, mit dem bin ich vergnügt.

Vielleicht wird dich und mich dereinst die Nachwelt nennen,

Mich wird sie als getreu, dich als Verräther kennen.

ULFO.

Ich seh schon, daß dein Geist nie edle Thaten wagt.

Ich nannte dich mit Recht, feig, sklavisch und verzagt.

Begehrest du Beweis, nimm ihn von meinem Degen.

GODEWIN.

Ich fodre den Beweis, und will ihn widerlegen.[189]

ESTRITHE.

Wohin? Unglückliche!

GODEWIN.

Komm, Ulfo, folge mir.

ESTRITHE.

Was thust du, Godewin? Ach! Ulfo bleib doch hier.

ULFO.

Ich will dich wieder sehn.

ESTRITHE.

Nein! itzt mußt du mich hören.

ULFO.

Man ruffet mich zum Kampf, und ich soll mich entehren?

ESTRITHE.

Ein Augenblick Verzug thut nichts zu deiner Schmach?

ULFO.

So geh denn, Godewin, und glaub, ich folge nach.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 187-190.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon