Erster Auftritt.


[192] Canut, Estrithe, Haqvin.


ESTRITHE.

Vielleicht eilt ihre Brust den Schwerdtern schon entgegen.

Es rauchen schon vielleicht die blutbespritzte Degen,

Und wenn ihr Arm erfüllt, was ihre Wut gedroht,

Ist dieser Augenblick vielleicht des einen Tod.

Mit Bitten hab ich kaum, eh sie den Streit begonnen,

Ein Wort voll Ungeduld vom Ulfo noch gewonnen.

HAQVIN.

Hier ist bey deinem Schloß der Schauplatz von dem Streit.

Herr, es sieht alles Volk auf ihre Tapferkeit.

Ich sah, es stund umher, mit aufmerksamen Schweigen,

In einen Kreyß gedrängt ein ganzes Heer von Zeugen.[192]

Die Kämpfer, die voll Zorn so wie voll Großmuth sind,

Bestimmten ihren Platz, und theilten Sonn und Wind.

Ihr unerschrockener Arm ficht über grossen Rechten.

Denn der muß seinen Ruhm, und der sein Wort verfechten.

ESTRITHE.

Du billigst noch, Haqvin, die mörderische Wut?

So ist ihr Richter denn ihr Schwerdt und nicht Canut?

Soll, um ein eitles Wort nicht ungestraft zu lassen,

Im Frieden durch sich selbst der Helden Kern erblassen?

Selbst vor dem Angesicht des Königs, den ihr ehrt,

Verschwendet ihr das Blut, das doch nur ihm gehört?

Damit ein Held nicht darf bey falschem Schimpf erröthen,

Muß der Beleidiger, wen er verletzt, noch tödten,

Wo nicht ein gütig Glück für den Beschimpften wacht,

Ihn erst wahrhaftig schimpft, und ihn zum Mörder macht.

So werd ich, nein! Canut, dieß läßt du nicht geschehen,

Als Mörder oder todt den Ulfo wiedersehen?

Sein Blut zwar schätz ich nicht für mehr als seinen Ruhm:

Vergießt er es für dich, es ist dein Eigenthum.

Er sterbe, soll es seyn, im rühmlichen Gefechte

Als Schild des Vaterlands, als Opfer deiner Rechte.

Dann will ich seinem Tod zufriedne Thränen weyhn.

Was Ehre bringt, das muß auf Recht gegründet seyn.

Doch dieses schimpfliche, dieß ungerechte Wüten,

Dieß macht Entsetzen, Herr, dieß eile zu verbiethen.

CANUT.

Haqvin, ruft aus dem Kampf sie beyde gleich herbey.

Sag ihnen, daß ihr Blut des Vaterlandes sey,

Daß ich den wilden Muth, der Zwietracht suchet, hasse,

Und niemand Unrecht thun noch Unrecht leiden lasse,

Daß den Beleidiger mein Arm zur Strafe zieht,

Und dessen Sache führt, der sich beleidigt sieht.

Ich will nicht, daß mit mir Gewalt und Zwist regieren,

Und Bürger meines Reichs mit Bürgern Kriege führen.

Und daß man den erhebt und noch mit Ruhm bekrönt,

Der der Geselligkeit geweythe Rechte höhnt.

Den soll mein ganzes Reich aus seinen Gränzen jagen,

Die Erde soll ihn nur zu andrer Abscheu tragen,

Und an der Ehre statt, die er durch Unrecht sucht,

Sey er für nichts geschätzt, beschimpfet und verflucht.

Wer sein zanksüchtig Schwerdt aus falschem Heldenmuthe

Mit anderm Blute färbt, als mit des Feindes Blute.

Dieß sage, ruff sie her. Gieb keinem Aufenthalt.

Folgt Ulfo dir nicht nach: so führ ihn mit Gewalt.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 192-193.
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