Vierter Auftritt.


[223] Frau Sylvesterinn. Fortunat.


FRAU SYLVESTERINN. Glaube ich doch wohl, Fortunat! du bist gar fleißig? Du solltest mir ein Bißchen auf der Laute spielen. Aber es ist gut: ich will dich nicht stören.

FORTUNAT. Kommen sie doch, Mama; ich bitte sie recht sehr. Kommen sie doch, und sehen sie her. Wenn sie mir gute Worte geben: so will ich ihnen das ganze Zimmer mit solchen Zeichnungen aushängen, wie die ist.

FRAU SYLVESTERINN. Das Zimmer nur? Ich hätte lange gerne in alle meine Stuben Bilder gehabt. Es wohnt sich so hübsch in solchen Stuben. Wenn man den ganzen Tag nichts zu thun hat: so darf man nur die Bilder ansehen, so wird einem schon die Zeit nicht lang.

FORTUNAT. Warum haben sie mir das nicht lange gesagt, Mama, daß sie die Bilder so lieb haben? Ich hätte manche überleye Stunde daran wenden können. Ich will aber schon sehen, wie ich es ende. Sie sollen bunte Bilder haben, Mama. Nicht wahr, die sind ihnen lieber? Bunte Bilder will ich ihnen malen. Ich will noch heute Farben dazu anschaffen. In einer Stube will ich ihnen Schäfereyen, in der andern Jagdstücke, in der dritten Prospecte, in der vierten Schlachten malen. Und in ihre Schlafkammer sollen lauter Nachtstücke kommen. Ich will schon sehen, wie ich fertig werde. Man kann in einem Jahre viel malen.

FRAU SYLVESTERINN. Ich dachte, du solltest mir was auf der Laute vorspielen.[223]

FORTUNAT. Ach! hören sie doch, Mama; ich muß ihnen was vorsagen. Ich muß ihnen Verse vorsagen, und zwar die ich heute über Tische in ihrer aller Gegenwart gemacht habe.

FRAU SYLVESTERINN. Heute über Tische? das ist unmöglich.

FORTUNAT. Ja, ja. Sie wundern sich darüber? es ist aber nicht anders. Der Herr Vater redte gleich von Füchsen: unterdessen machte ich Verse.

FRAU SYLVESTERINN. Du hast mir ja was auf der Laute vorspielen sollen.

FORTUNAT. Es ist ja gleich viel. Die Poeten spielen auch auf der Laute, wenn sie Verse machen.

FRAU SYLVESTERINN. Ja, ich weis nicht, was das für eine Laute seyn muß. Es müßte stille Musik seyn: denn du bist allezeit ein rechter Stock, wenn du Verse im Kopfe hast.

FORTUNAT. Es schadet nichts: sehen sie nur, Mama: das ist der Unterscheid. Wenn man auf der rechten Laute spielt: so klingt es gleich, wenn man sie schlägt; und auf der poetischen klingt es erst, wenn man fertig ist.

FRAU SYLVESTERINN. Ja freylich, klingt es hernach lange genug hinter drein, und ich muß es hören.

FORTUNAT. Sie werden ja Verse hören wollen, Mama? Sie haben ja einen guten Geschmack.

FRAU SYLVESTERINN. Nun! so sage mir sie nur her, damit ich sie los werde.

FORTUNAT. Oben drüber setze ich: Als er sich entschloß zu lieben. Oder: Er entschließt sich zu lieben. Welches ist denn besser?

FRAU SYLVESTERINN. Als er sich entschloß zu lieben, oder, er entschließt sich zu lieben. Bey meiner Treu, Fortunat, da sehe ich keinen Unterscheid.

FORTUNAT. Ich kann aber doch wohl nicht alles beydes setzen. Und wenn ich eins setze: so muß ich das beste setzen.

FRAU SYLVESTERINN. Ja, Fortunat. Wenn daran so viel gelegen ist, so mußt du jemanden fragen, der verständiger ist, als ich. So tief geht meine Einsicht nicht.

FORTUNAT. So will ich ihnen unterdessen doch die Verse selber sagen. Die heißen so:


So ist der Schluß gemachet,

Daß ich nun lieben will.

Dem Glücke, das mir lachet

Halt ich in allem still.

Ich hab es fest beschlossen,

Und sag es mit Bedacht:[224]

Wenns gleich den Neid verdrossen;

Ist doch der Schluß gemacht.


Ihr Leute sollt es wissen,

Daß ich verliebet bin:

Ich muß die Freyheit missen,

Mein Herz ist ganz dahin.

Ein Narr, wer sein Begehren

Aus Furchtsamkeit verheelt:

Denn Lieben und entbehren

Ist was, das heimlich quält.


FRAU SYLVESTERINN. Wenn das die Verse sind, die du über Tische gemacht: so wundert michs nicht mehr. Ich dächte, die Verse hättest du auch zur Noth in einer Mühle mit zwanzig Gängen machen können.

FORTUNAT. Ich glaube doch, Mama: die Verse gefallen ihnen nicht?

FRAU SYLVESTERINN. Warum gefielen sie mir denn nicht? Die Verse sind schön, Fortunat. Spiele du mir nur nun auch auf der Laute.

FORTUNAT. Sie verstehen sich doch recht gut darauf, Mama. Es wundert mich nur, wo sie so viele Einsicht hernehmen. Sie wissen den Augenblick, was schön ist. Habe ich nicht recht viel gesagt?

FRAU SYLVESTERINN. Gewiß recht viel. Denn es steht doch in dem ganzen Dinge nichts mehr, als daß du lieben willst: und du hast so viel gesagt, daß gleichwohl nicht wenig Zeilen davon voll geworden sind. Ich dächte, weil du so viel darinnen gesagt hast: so könntest du wohl alles beydes oben darüber setzen: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben. Denn es steht oft genug in den Versen drinnen, daß du es schon zweymal oben drüber setzen kannst.

FORTUNAT. Ich glaube, sie höhnen mich gar, Mama? Sagen sie mir es im Ernste. Gefallen ihnen die Verse nicht?

FRAU SYLVESTERINN. Es könnte wohl seyn.

FORTUNAT. Ach! Mama, sie verstehn es nicht. Ich wüßte nicht, was den Versen fehlte.

FRAU SYLVESTERINN. Freylich wohl, versteh ichs nicht. Wenn ich deine Verse lobe, da versteh ichs wohl: aber, wenn ich sie nicht lobe, da versteh ichs nicht.

FORTUNAT. Sollte denn das nicht viel gesagt seyn? Hören sie nur: Denn lieben und entbehren, ist was, das heimlich quält.

FRAU SYLVESTERINN. Hast du die Verse gemacht? Ich habe gedacht, der Poet, daraus du mir neulich vorlasest, hätte die Verse allein gemacht So hast du sie auch gemacht? So sind die Verse zweymal gemachet worden? und du bist der andre Verfertiger dazu?[225]

FORTUNAT. In der That, Mama: ich weis nicht, was ihnen heute fehlt. Sie meynen etwa die Verse:


Etwas lieben und entbehren

Ist ein Schmerz, der heimlich quält.


Aber sind denn das eben die Verse? Hören sie nur:


Denn lieben und entbehren

Ist was, das heimlich quält.


FRAU SYLVESTERINN. Ich könnte doch wohl unrecht haben, Fortunat Du mußt mirs zu Gute halten: ich verstehe es ohnedem nicht Sie sind eben so von einander unterschieden, wie deine beyden Ueberschriften: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben.

FORTUNAT. Wenn es auch einerley Verse wären, was schadete es denn? Sie hören immer gern von juristischen Sachen reden. Ich will ihnen ein Exempel geben. Wenn ich Sammet an einen Rock nähte, und der Sammet gehörte mir gleich nicht: so würde er doch mein. Und also, wenn gleich Günther die Verse gemacht hätte: so hätte ich sie doch auch gemacht, weil ich sie an meine Verse angehangen habe.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 223-226.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der geschäftige Müßiggänger
Der geschäftige Müßiggänger

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon