Fünfter Auftritt.


[266] Sorger. Frau Sylvesterinn.


SORGER. Frau Schwester, ich muß ihnen doch auch meinen Glückwunsch abstatten, daß ihr Sohn Secretär geworden ist: denn ich zweifle nicht, daß er es nun seyn wird.

SYLVESTERINN. Herr Bruder, ich glaube, du fängst auch an die Leute zu höhnen. Ich habe dich immer noch für jemanden gehalten, dessen seine Worte lauter Wahrheiten sind: aber fange es nur nicht so an. Sonst traue ich dir nicht eine Sylbe mehr.

SORGER. Was fehlt ihnen denn, Frau Schwester? Was habe ich ihnen denn gethan? Es ist unmöglich, daß ihr Sohn nicht Secretär seyn sollte.

SYLVESTERINN. Hörst du denn noch nicht auf?

SORGER. Ich bin noch heute bey sechs Personen gewesen, die ich alle auf das inständigste gebethen habe, und die mir alle versprochen haben, ihr möglichstes zu thun.

SYLVESTERINN. So schweig doch still! Ich habe nöthigere Dinge mit dir zu reden.[266]

SORGER. Frau Schwester, sagen sie mir nur aufrichtig. Ist er es nicht?

SYLVESTERINN. Nein doch!

SORGER. Je! was muß denn die Ursache seyn? Ich habe mir mein Tage so viel Mühe nicht gegeben. Mein Tage habe ich auch so viel Versicherung nicht gehabt!

SYLVESTERINN. Es ist aber doch nichts geworden.

SORGER. Der Mensch muß selber einen Fehler begangen haben.

SYLVESTERINN. Freylich!

SORGER. Je! was hat er denn gethan? Es muß was rechtes seyn! Es wäre sonst unmöglich zurückgegangen. Sollte er denn was vorgehabt haben, das der Minister erfahren hätte?

SYLVESTERINN. Ach! was mein Sohn thut; das dürfen alle Leute wissen.

SORGER. Sollte er denn allzuwenig Ehrerbiethigkeit gegen den Minister gehabt haben?

SYLVESTERINN. Ach nein! nein! mein Sohn machte Reverenze bis auf die Erde.

SORGER. Sollte er etwa sonst was an sich haben, das ihm nicht gefallen hätte?

SYLVESTERINN. Ach nein! mein Sohn muß allen Leuten gefallen, die nicht blind sind.

SORGER. Aber, was wäre es denn?

SYLVESTERINN. Er ist zu spät gekommen.

SORGER. Ey, ey, ey! Frau Schwester, nehmen sie mir es nicht ungütig. Ich habe es wahrhaftig nicht gewußt, ich würde ihnen sonst nimmermehr Glück gewünschet haben.

SYLVESTERINN. Ich glaube es ganz gern.

SORGER. Ich kann ihnen schwören, daß ich nicht gewußt habe, daß er leer ausgegangen ist.

SYLVESTERINN. Ich kann dir schwören, daß ich dir glaube.

SORGER. Ach! sie stellen sich so, Frau Schwester.

SYLVESTERINN. Nein! du kannst mir glauben. Ich bin überzeugt davon.

SORGER. Ich bitte sie tausendmal um Verzeihung.

SYLVESTERINN. Aber ich muß dir sagen, Herr Bruder, mein Mann spricht immer: Fortunat sorgt für gar nichts. Aber ich sehe nun, daß es lauter Eigensinn ist. Er sorgt wohl.

SORGER. Sorgt er? Das ist ja schön! Er hat heute unfehlbar seinen Termin abgewartet.

SYLVESTERINN. Ach nein! dazu habe ich ihn vor lauter Sorge nicht bringen können.

SORGER. Ist er so besorgt, daß ihn der Minister übergangen hat.[267]

SYLVESTERINN. Nein! darum ists ihm auch nicht zu thun. Aber ich will dir sagen, wofür er sorgt: es ist doch ein gutes Kennzeichen. Für Jungfer Lieschen sorgt er ganz unbeschreiblich. Er hatte die Zeit versäumt, da sie uns ihren Besuch abstattete. Er war nicht darüber zu trösten; er gieng, ohne sich wieder von neuem anzuziehen, den Augenblick nach ihr. Er will sie Abends hier zu Gaste haben; er will Musik darzu haben; und läßt sich es sehr angelegen seyn.

SORGER. Aber der liebe Herr Fortunat versäumt den Termin, Frau Schwester!

SYLVESTERINN. Das ist eben meine Noth, Herr Bruder. Ich habe ihn vor lauter Sorgen über seine Liebste nicht dazu bringen können, daß er zu Stromen gegangen wäre. Ich bin ihm bald zu Fusse gefallen: aber ich konnte nichts erhalten. Sage mir doch, was mache ich denn, Herr Bruder?

SORGER. Frau Schwester, der Termin ist versäumt. Itzo wäre es noch die höchste Zeit, ihn abzuwarten.

SYLVESTERINN. Ach! wenn er versäumt ist: so kratzt mir Strom die Augen aus dem Kopfe.

SORGER. Ich sehe gar keine Hülfe, Frau Schwester. Ihr Sohn hätte die Liebste allezeit eher wieder gekriegt, als den Proceß.

SYLVESTERINN. Er war freylich gar zu sorgsam. Was machen wir denn?

SORGER. Da wird kein Rath seyn. Ach! ich wollte ihnen gerne helfen. Sagen sie nur wie?

SYLVESTERINN. Ich wüßte wohl, Herr Bruder. Aber soll ich des leichtfertigen Menschen wegen zur Lügnerinn, zur Betrügerinn, zur Causenmacherinn werden.

SORGER. Behüte Gott! nein! Frau Schwester. Das werden sie nicht thun.

SYLVESTERINN. Ich schadete aber niemanden damit; und meinem Sohne hülfe ich.

SORGER. Wenn das ist, Frau Schwester: so sind sie weder eine Lügnerinn, noch eine Betrügerinn, noch eine Causenmacherinn.

SYLVESTERINN. Je! das wäre ja schön: ey, da hätte ich Hülfe.

SORGER. Je! was haben sie denn? Frau Schwester. Ich denke immer, es wird nicht angehen, was sie thun wollen.

SYLVESTERINN. Ja, ja. Es geht an. Es geht an.

SORGER. So sagen sie nur: hernach will ich sehen. Ich fürchte aber immer – –

SYLVESTERINN. Ganz gewiß geht es an! Höre nur, Herr Bruder: Renner war da, und sagte, er wollte compromittiren, wie er es hieß.[268]

SORGER. Und ihr Sohn wollte nicht? Er verließ sich darauf, daß er den Termin noch abwarten könnte?

SYLVESTERINN. Nein! er war nicht da. So dächte ich, Herr Bruder, lieber Herr Bruder! du nähmest die Mühe über dich, und giengst zu ihm, und sagtest, mein Sohn und Strom wollten compromittiren. Hörst du, lieber Herr Bruder?

SORGER. Ja, Frau Schwester. Ich denke immer, Renner wird es nicht thun.

SYLVESTERINN. Er wollte ja vorhin.

SORGER. Aber ich sollte den Leuten auch nicht vorlügen?

SYLVESTERINN. Je! es schadet ja niemanden. Ich weis auch nicht einmal, ob das einem vorlügen heißt. Mein Sohn will gewiß, das weis ich, und wenn sie auf hundert Jahr compromittiren wollten: und Strom muß wollen, ehe er den Proceß verloren giebt. Ich kann mir sonst ganz und gar nicht helfen.

SORGER. Nun! Frau Schwester. Wenn sie sich sonst nicht helfen können: so muß ich wohl gehen.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 266-269.
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