Das 70. Capitel.
Wenn ein Junggesell und eine Jungfrau mit einander ein Kind aus der Tauffe heben / oder Gevatter stehen /soll der Pfaff sich zwischen sie stellen / sonst / wo sie einander heyrathen / würde stets Uneinigkeit zwischen ihnen seyn.

[301] Dieses ist ein Glaubens-Grund, der seinen Ursprung aus dem Mährlein-vollen Pabstthum hat, deswegen er auch bey denen Lutheranern und Reformirten am wenigsten in Acht genommen wird, es sey denn an solchen Oertern, allwo Papisten und Evangelische unter einander wohnen, da denn freylich der Aberglaube wie die Pest jedermann anstecket. Ich habe sonst zum öfftern (wiewohl ebenfalls aus einem abergläubischen Wahn) sagen hören, daß, wenn zwey ledige Personen einander lieb hätten / und würden mit einander Gevatter, so binde der Tauffstein; andere dargegen haben das contrarium behaupten wollen. Weil denn nun eines da hinaus, das andere dort hinaus will / so lässet man die abergläubischen Narren billig um die Welt herum lauffen, biß sie im Schlaraffen-Lande wieder zusammen kommen. Es habe demnach von beyden eines recht, welches wolle, so wird das Zwischentreten des Pfaffen doch keinen Grund finden. Denn wenn der Tauffstein bindet, so wäre ja besser, daß diese, die ohnedem zusammen sollen, zusammen gelassen, und nicht vom Pfaffen gleichsam[302] durch das Mittentreten separiret würden; denn was GOtt zusammen füget, soll der Herr Pater nicht scheiden. Wiewohl der Tauffstein keinesweges zur Copulation gewidmet ist, dahero ich nicht begreiffen kan, aus welche Weise derselbe binden solle. So er aber, nach derer andern ihre Meynung / löset, oder die zusammen versprochene Leute wieder trennet, oder die, welche einander lieb haben, in Feindschafft setzet, was kan denn das Mittentreten des Pfaffen hierbey verhindern? Soll es denn etwan seyn, als wenn sich ein Paar mit einander schlagen, daß ein dritter wie ein Schiedsmann sich einmenget, und will der Pfaff gleichsam der Schiedsmann seyn? so kommt mir es ungereimt vor, weil es nirgends keines Schiedsmanns braucht, als wo zwey Leure in Uneinigkeit zusammen gerathen. Hier aber, bey der Gevatterschafft / haben beyde einerley intention, nicht sich mit einander zu veruneinigen, sondern beyde zugleich, im Nahmen des Kindes, dem Teufel, und allen seinem Wesen und Wercken abzusagen, und demselbigen Krieg und ewige Feindschafft, im Nahmen des Unmündigen, anzükündigen. Fechten also beyde zugleich mit einerley Waffen wider einerley Feinde, und vor einen Herrn. Wolte aber einer hier einwenden, daß der Pfaff hier ins Mittel treten wüste, auf daß hierdurch die zukünfftige unter diesen zweyen Gevattern besorgende Uneinigkeit verhindert werde, so sage ich, daß darzu der Pfaff, und wenn es auch gleich ein Cardinal, ja der Pabst selbst wäre, viel zu unvermögend ist / durch sein blosses in[303] die Mitten treten, die zukünfftige Uneinigkeit zu verhindern. Gleichwie aber aus angezogenen Ursachen und Beweiß nicht kan dargethan werden, daß ein paar junge Leute, die mit einander Gevatter werden, und hernach einander ehlichten, um deßwillen eine unfriedliche Ehe führen würden; also mag die Mittenstellung des Pfaffen geschehen oder nicht, so bleibet doch alles, wie es GOtt zulässet, und demnach dieser papistische Glaubens-Grund erlogen.


Laßt die Pfaffen schwatzen, was sie wollen,

Wir Luthraner glauben, was wir sollen.

Die Papisten sind mit solchen Possen

Allzeit fertig und gantz unverdrossen;

Aber wir solln uns dran nicht kehren,

Was sie all für albre Chosen lehren.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 301-304.
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