ZueignungsSchrift an die

Durchleuchtige und Hochgeborne Fůrstinn

und Frau / Frau Sophien Elisabeth /

Vermählte Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / etc. Geborne von Meckelburg / Fürstinn zu Wenden / Gräffin zu Schwerin / Der Landen Stargard und Rostock Frauen:

Ihr Edle Princessin / deß Himmels Hertz und Wonne

Der Menschen Lust und Zier / der Tugend schöne Sonne /

Nemt gnadenwillig an / mit hochbegabter Hand

Von Teutscher Musen Zunfft ein schuldig-treues Pfand.

Es wil durchaus nicht mehr nur auff Parnassi Spitzen

Das sůsse Musen Volk in schöner Reihe sitzen:

Wie lokken sie zu uns durch Teutscher Sprache macht /

Vnd schmůcken sie durch Glůck mit höher Wörter Pracht.

Es fodert das Geschick auch unser neu beginnen /

Wir baun ein Ehrenschloß hier bey den Welfenzinnen /

Dort wo die Pegnitz kreucht / wo unser Asch gehaußt /

Und wo der Bober fleußt / und wo die Elbe saußt.

Reumt euren Helicon jhr schönen Castelinnen /

Besucht des Mannen-Land / und unsre Semaninnen:

Apollo richte recht / ob hie sey oder dort /

Ein besser Tugendplatz und schöner Ehrenort.

Verweilt Calliope? geneigt den frömden Landen

Eilt nur selb-Achte her / Eur Haubt ist schon verhanden

Die höchste Pieris / und schönste Charitiñ

Und Phebi liebstes Hertz ist diese Princessiñ.


Als erst der grosse GOtt / durch Glantz der Sonnenstrahlen /

Der Erden Angesicht lies künstlich übermahlen /

Da lachte die Natur / da sahe man mit lust

Den unterscheid / so war im tunkeln unbewust.

Noch jetzund / wan die Nacht mit den schwartzbraunen Decken

Das Erdreich überspreit / kan man ein Licht anstecken

Und jagen weg die Nacht / und sehen hell und klar

Was wegen Dunckelheit war schwartz und unsichtbar:

So geht es gleichfals auch in allen andren Sachen /

Die Sprachen und die Künst' hell / deutlich / klar zumachen /

Durch Strahlen der Vernunft / durch des Verstandes Licht /

Zugeben jedem Ding ein deutlich Angesicht.

Drüm / wem durch Himmelsgunst sein Geist also erleuchtet /

Und die Vernunft mit Saft Fruchtbringend ist befeuchtet /

Der thut wol / wan zu nutz Er solches Licht ansteckt /

Und unterm Scheffel es nicht setzet noch verdeckt:

Der Suchender / dem Gott ein Tugendlicht gegeben

Die Teutsche Sprache recht Kunstprächtig auszuheben /

Und richten in den Stand der vollenkommenheit /

Da Sie mit Glantze ruht / vom duncklen wol befreyt.

Drüm der Befreiendinn das Buch er wol zueiget /

Sein Wucherreich talent zu nutz' und dienste zeiget.

Geliebter Suchender / fahrt glücklich fort und schreibt

Wer Redlich / Teutsch / Gelahrt / Eur Freund und Gönner bleibt.


auch der Unverdrossene.


Ich bin ein Rauchgefäß voll guter Specereyen /

Gewidmet vor der Zeit zu Gottes Lob und Ehr.1

Hinfürters angefüllt mit vieler Sprachenlehr /

Und mächtig jede Kunst bey uns recht einzuweihen.

Es hat in neuligkeit BEZALEEL2 sich funden /

Der mich in Teutscher Sprach das erstemahl geschmückt

Und weil nach seinem Tod' ich blieb noch gar zerstückt /

Folgt AHALIAB3 jhm mit gleichem Geist verbunden.

Sein meisterliche Hand hat mein Gefäß vollendet

Und mich durch Ringewerck verfast mit solchem Fug /

Daß nun darauff entbrent der süsseste Geruch /

Der durch das Wolckenzelt zur Engel-Chor auflendet.

Ein brünstig Angstgebett / ein Siegeslied voll Freuden /

Ein muntres Trostgesang / ein Lob und Danckgedicht /

Und was die Lieb zu Gott hier in die Höhe richt /

Erscheint durch den Geruch beflammt auf allen Seiten.

Mit gleicher Liebe wird der Himmel sich verbinden

Zu dem der auß der Erd so sucht was droben ist:

Ein unersterbend Lob Er jhm dadurch erkiest:

Hier ist und bleibet wahr; Wer suchet der wird finden.


Dem Suchenden zu Ehren

erfunden

Von

Dem Spielenden.

Fußnoten

1 Argumentum poeticæ est divinæ & humanæ sapientiæ apex, in quo Orpheus, Linus & Musæus, tottadenique illa prima Sapientiæ familia, aut invenit eam, aut constituit. Heinsius.


2 M. Opitz.


3 J.G. Schottelin.


Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 1.
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