Ihr Edle Princessin / deß Himmels Hertz und Wonne
Der Menschen Lust und Zier / der Tugend schöne Sonne /
Nemt gnadenwillig an / mit hochbegabter Hand
Von Teutscher Musen Zunfft ein schuldig-treues Pfand.
Es wil durchaus nicht mehr nur auff Parnassi Spitzen
Das sůsse Musen Volk in schöner Reihe sitzen:
Wie lokken sie zu uns durch Teutscher Sprache macht /
Vnd schmůcken sie durch Glůck mit höher Wörter Pracht.
Es fodert das Geschick auch unser neu beginnen /
Wir baun ein Ehrenschloß hier bey den Welfenzinnen /
Dort wo die Pegnitz kreucht / wo unser Asch gehaußt /
Und wo der Bober fleußt / und wo die Elbe saußt.
Reumt euren Helicon jhr schönen Castelinnen /
Besucht des Mannen-Land / und unsre Semaninnen:
Apollo richte recht / ob hie sey oder dort /
Ein besser Tugendplatz und schöner Ehrenort.
Verweilt Calliope? geneigt den frömden Landen
Eilt nur selb-Achte her / Eur Haubt ist schon verhanden
Die höchste Pieris / und schönste Charitiñ
Und Phebi liebstes Hertz ist diese Princessiñ.
Als erst der grosse GOtt / durch Glantz der Sonnenstrahlen /
Der Erden Angesicht lies künstlich übermahlen /
Da lachte die Natur / da sahe man mit lust
Den unterscheid / so war im tunkeln unbewust.
Noch jetzund / wan die Nacht mit den schwartzbraunen Decken
Das Erdreich überspreit / kan man ein Licht anstecken
Und jagen weg die Nacht / und sehen hell und klar
Was wegen Dunckelheit war schwartz und unsichtbar:
So geht es gleichfals auch in allen andren Sachen /
Die Sprachen und die Künst' hell / deutlich / klar zumachen /
Durch Strahlen der Vernunft / durch des Verstandes Licht /
Zugeben jedem Ding ein deutlich Angesicht.
Drüm / wem durch Himmelsgunst sein Geist also erleuchtet /
Und die Vernunft mit Saft Fruchtbringend ist befeuchtet /
Der thut wol / wan zu nutz Er solches Licht ansteckt /
Und unterm Scheffel es nicht setzet noch verdeckt:
Der Suchender / dem Gott ein Tugendlicht gegeben
Die Teutsche Sprache recht Kunstprächtig auszuheben /
Und richten in den Stand der vollenkommenheit /
Da Sie mit Glantze ruht / vom duncklen wol befreyt.
Drüm der Befreiendinn das Buch er wol zueiget /
Sein Wucherreich talent zu nutz' und dienste zeiget.
Geliebter Suchender / fahrt glücklich fort und schreibt
Wer Redlich / Teutsch / Gelahrt / Eur Freund und Gönner bleibt.
auch der Unverdrossene.
Ich bin ein Rauchgefäß voll guter Specereyen /
Gewidmet vor der Zeit zu Gottes Lob und Ehr.1
Hinfürters angefüllt mit vieler Sprachenlehr /
Und mächtig jede Kunst bey uns recht einzuweihen.
Es hat in neuligkeit BEZALEEL2 sich funden /
Der mich in Teutscher Sprach das erstemahl geschmückt
Und weil nach seinem Tod' ich blieb noch gar zerstückt /
Folgt AHALIAB3 jhm mit gleichem Geist verbunden.
Sein meisterliche Hand hat mein Gefäß vollendet
Und mich durch Ringewerck verfast mit solchem Fug /
Daß nun darauff entbrent der süsseste Geruch /
Der durch das Wolckenzelt zur Engel-Chor auflendet.
Ein brünstig Angstgebett / ein Siegeslied voll Freuden /
Ein muntres Trostgesang / ein Lob und Danckgedicht /
Und was die Lieb zu Gott hier in die Höhe richt /
Erscheint durch den Geruch beflammt auf allen Seiten.
Mit gleicher Liebe wird der Himmel sich verbinden
Zu dem der auß der Erd so sucht was droben ist:
Ein unersterbend Lob Er jhm dadurch erkiest:
Hier ist und bleibet wahr; Wer suchet der wird finden.
Dem Suchenden zu Ehren
erfunden
Von
Dem Spielenden.
1 Argumentum poeticæ est divinæ & humanæ sapientiæ apex, in quo Orpheus, Linus & Musæus, tottadenique illa prima Sapientiæ familia, aut invenit eam, aut constituit. Heinsius.
2 M. Opitz.
3 J.G. Schottelin.
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