Auf ein Paar gestickte Rosen

[15] Nach Blumen trugen wir Verlangen,

Doch lag der Winter auf den Aun:

Da seid ihr lieblich aufgegangen,

Fast wie ein Wunder anzuschaun.


Doch ist's kein Wunder mehr zu nennen

Für den, der eure Saat belauscht;

Er sah die Himmelsröte brennen,

Aus der sich euer Glanz berauscht.


Es nahte sich an jedem Morgen

Still eine ros'ge Gärtnerin,

Die stellte früh, mit leisen Sorgen,

Vor euer weiches Beet sich hin.
[15]

Sie streut' in tausend lichten Fädchen

Den Samen auf den weißen Grund,

Und Morgenrot ergoß das Mädchen

Auf euch von Wangen und von Mund.


Und leuchtend über Mund und Wangen

Ergossen auf die kleine Hand

Zwei Sonnen, freundlich aufgegangen

Den holden Schimmer unverwandt.


Und auch den zarten Fingerspitzen

Entquoll so leise Kraft und Licht

Und zückte mit geheimen Blitzen

Durch euer rotes Angesicht.


So seid ihr in dem seltnen Scheine

Zu solcher Frühlingsglut gediehn:

So hell und himmlisch lächeln keine,

Auf die nur ird'sche Sonne schien.


O Morgenrot, o lichte Sonnen!

Glückselig wer in eurem Glanz

Den ew'gen Frühling sich gewonnen,

Den ewig blüh'nden Rosenkranz!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 15-16.
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