Lied eines abziehenden Burschen

[11] Nach der Weise: Es reiten drei Reiter zum Thor hinaus usw.


Bemooster Bursche zieh' ich aus,

Behüt dich Gott, Philisters Haus!

Zur alten Heimat geh' ich ein,

Muß selber nun Philister sein.
[11]

Fahrt wohl, ihr Straßen grad und krumm,

Ich zieh' nicht mehr in euch herum,

Durchtön' euch nicht mehr mit Gesang,

Mit Lärm nicht mehr und Sporenklang.


Was wollt ihr Kneipen all' von mir?

Mein Bleiben ist nicht mehr allhier,

Winkt nicht mit eurem langen Arm,

Macht mir mein durstig Herz nicht warm.


Ei grüß' euch Gott, Collegia!

Wie steht ihr in Parade da.

Ihr dumpfen Säle groß und klein,

Jetzt kriegt ihr mich nicht mehr herein.


Auch du von deinem Giebeldach

Siehst mir umsonst, o Carcer, nach.

Für schlechte Herberg, Tag und Nacht,

Sei dir ein Pereat gebracht!


Du aber blüh' und schalle noch,

Leb' alter Waffenboden hoch!

Es stärkt den Geist die Wissenschaft,

So stärke du des Armes Kraft.


Da komm' ich, ach an Liebchens Haus:

O Kind, schau noch einmal heraus!

Heraus mit deinen Aeuglein klar,

Mit deinem dunkeln Lockenhaar!


Und hast du mich vergessen schon,

So wünsch' ich dir nicht bösen Lohn;

Such' dir nur einen Buhlen neu,

Doch sei er flott gleich mir und treu!


Und weiter, weiter geht mein Lauf,

Thut euch, ihr alten Thore, auf!

Leicht ist mein Sinn, und frei mein Pfad,

Gehab dich wohl, du Musenstadt!
[12]

Ihr Freunde, drängt euch um mich her,

Macht mir mein leichtes Herz nicht schwer,

Auf frischem Roß, mit frohem Sang

Geleitet mich den Weg entlang.


Im nächsten Dorfe kehret ein,

Trinkt noch mit mir von einem Wein. –

Und nun denn, Brüder, sei's weil's muß!

Das letzte Glas, den letzten Kuß!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 11-13.
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Gedichte und Satiren

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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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