An einem Winterabend hell
Der Ritter jagt im Forste,
Er sucht das Reh im braunen Fell,
Den Eber mit der Borste;
Umsonst ist Hornruf, Hundsgebell,
Jagdmüde dringt er zu dem Quell,
Der aus Gestrüppe rauschet.
O Wunder dort! die Tannen blühn
Beknospet all mit Rosen;
Und eine Jungfrau sieht er glühn,
Mit einem Kinde kosen;[371]
Der Rasen drunter frühlingsgrün;
Vergessen sind des Jägers Mühn,
Er senkt den Speer und staunet.
Da füllt sich schnell die ganze Luft
Mit weichen Lenzeslüften,
Da mischet sich der Rosenduft
Zu andern Blumendüften.
Und nieder braus't es zu der Schluft
Und senkt sich bis zur Quellenkluft,
Ein goldner Feuerwagen.
Und Löw' und Lamm ist das Gespann,
Ein Engel fliegt vom Sitze,
Hebt Jungfrau, hebet Kind hinan,
Schwingt auf sich gleich dem Blitze;
Er zieht beperlte Zügel an,
Und lenkt empor zur Himmelsbahn
Die raschen Flügelthiere.
Da schüttelt der gestreifte Stamm
Von Rosen einen Regen,
Der Wagen steiget mit Geflamm
Dem Aetherblau entgegen.
Der gelbe Leu, das weiße Lamm,
Der Jungfrau Purpur leis verschwamm
In sanfter Abendwolke.
Der Ritter eine lange Frist
Steht in dem Wald versunken,
Sein Auge, farbekrank, vermißt
Den Stral, von dem es trunken,
Dann wird ihm klar, daß es der Christ
Mit seiner sel'gen Mutter ist,
Die ihm im Wald erschienen.
Leb' wohl nun, Jagd, leb' wohl nun, Welt!
Er baut sich die Kapelle,
Von Rosensträuchen aufgehellt,
Von Glaubensträumen helle.[372]
So oft des Abends Schleier fällt,
Fliegt sein Gebet zum Himmelszelt
In einem Flammenwagen.
1 Sage von der Froburg (im Kanton Solothurn).
Buchempfehlung
Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro