HEROLT.
Hort zů / all zůhauff / o frummer christ
Was Got zů lob hie werd gerüst /1
Und zů heyl unser armen seel2
Der glaub wil haben grossen feel /3
Des wirt trewlich bericht dein hertz4
Hör zů / schweig still / es ist kein schertz /
Noch deßgleichen / Veneris spil
Hie wirt getriben gottes wil /5
Thůt dir Got sein gnad beginnen6
So würstu von dannen bringen7
Der seel heil / dich baß besinnen /
Das wir stecken in gottes zorn8
Trew / und lieb / bey uns verlorn /
Sind doch des glaubens recht winckelmeß9
Ein christ der selben nit vergeß /
Sein hertz darnach zů richten
Laß wider lieb nicht erdichten /
Was lieb aber jetz an uns klebt
Sicht man jetz gar wol wie man strebt /
Mit neid / und hass umgeben10
O wie gfärlich steht das leben /
Das einer den andern nit verrat
Ja leyder jetz also zůgat /11[9]
Noch wöllen wirs nit bedencken
Wohinaus die sach wöl schwencken /
Uns erschreckt kein warnung so gůt
Die sant Paulus so trewlich thůt
Da er spricht / nun lůgent wol zů /
So ir einander selbs beissent12
Das ir einander nit zerreissent /
Gotlos / hat uns so gar ersteckt
Gottes warnung uns nit erschreckt /
Da er spricht / wie nit mög beston
Das zänckisch land / müs undergon /13
Wie wölt aber bston unser reich?
Nie ist erhört / des haders gleich /14
Das blůtföndlin ist auß gesteckt15
Es wil gleich sehen dem gefret /
Da Gott wolt / ja das Judenthumb
Von boden gar auß stürtzen umb /
Empörten sich vil Partheien16
Wider einander zů schreien /
Die Zeloter / und die Simoniter
Deßgleichen die Johanniter /
Dise drei part / stifften grossen mort /
Under ihn selbs / jetz hie / jetz dort /
Bis ir fünff hundert tausent mal
Erschlagen ward so grosse zal /
Die Römer schmotztent durch die faust
Biß zům grimsten stůnd diser strauß /17
Kamend zwischen kugel und zil
Vespasianus zug mit vil /[10]
Gen Hierusalem für die stat /
Auch Titus / habent sie geplagt /18
Mit jamer groß / auch angst und not
Assent die schůch das war ir brot /19
Ir kinder für fleisch kochten
Bis gottes zorn ward gerochen /
Aber erschlagen und verbrent
Wie vor / fünffhundert mal tausent /
Dreissig Juden wardent verkaufft
Umb ein pfenning in disem lauff/
Sträflicher ist kein volck verderbt
In alle welt verhergt /
Also sůcht uns auch heym der Türck
Biß er uns auch zůhauff erwürgt /
Ach der scharpffen růt / die Got thůt
Zů straffen unser sünd und blůt /
Der glaub můß han die schuld
Ach es ist unser onduld /
Der glaub ist warlich nit so schwer20
Wo eygner nutz nit so groß wer /
Hie steckt fürwar der schwartze butz21
Der tobt /und wüt mit seinem drutz /22
Uff beyder seyt / ist grosser streyt /
Der neid der treybt / sein bösen geyt /
Vil eernent / die nit hant geseet23
O Gott sicht wol wie es zůgeet /
Wirt gesůcht wenig gmeyne lieb
Wie vil werdent jetzund dieb /24
Wöllent dannocht die ersten sein[11]
Fürent des selben ein bösen schein /
Was erfrewt dich dein voller kast
Bist nur hie ein frembder gast25
O wie so gar mit kleinem rast /26
Nur darvon / darvon / und kurtz um27
Das mit dir nit nemest ein drum /28
Darumb so wart all augenblick
Wann der grewlich todt dich hin zackt /
Gilt gleich der Bischoff oder hiert
Oder mit Königlicher cron geziert /
Da wirt ansehens gar nit sein
Da můstu ston mit blossem schein /
Da wirt nit helffen kein wort so klůg
Die rechnung můß haben gůten fůg /29
Wie du vertretten hast dein ampt
Lůg das nit werdest zů schand /
Mit dem pfund das Got hat gestelt30
Dir zů hand / und damit gewölt /31
Trew / und lieb damit zů pflegen
Wiltu han das ewig leben /
Oder du wirst der stinckend bock
Geworffen in des teuffels stock /
Was helffen dein leut und land32
Hie ligstu in des teuffels band /
Ewig heulen in der finsternuß33
Du hast verschüt dein ampel uß /
Wie die thorechten junckfrawen[12]
Gottes angsicht kanst nit schawen /
Das wöllen wir hie erkleren
Dem herrschen Gott zů lob und ehren
Und zů heyl unser armen selen /
Das verhelff uns in himels thron34
Got der vatter mit im sein son /
Gebent uns ir gnad / und den geyst
Das inen von uns trewlich werd geleyst /35
Gantz gůtwillig und on allen schmertz
Wer das begert der sprech von hertz /
Amen.
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