[775] Ein Schlachtfeld bei Barnet.
Getümmel und Angriffe, König Eduard bringt den verwundeten Warwick.
KÖNIG EDUARD.
So, lieg' du da; stirb du und unsre Furcht,
Denn Warwick war uns allen eine Scheuche.
Nun, Montague, sitz' fest! Dich such' ich auf
Und bringe dein Gebein ihm in den Kauf.
Ab.
WARWICK.
Ach, wer ist nah? Freund oder Feind, er komme
Und sage, wer gesiegt: York oder Warwick?
Weswegen frag' ich? Mein zerstückter Leib,
Mein Blut, mein krankes Herz, die Ohnmacht zeigt,
Daß ich den Leib der Erde lassen muß
Und meinem Feind den Sieg durch meinen Fall.
So weicht der Axt die Zeder, deren Arme
Dem königlichen Adler Schutz verliehn,
In deren Schatten schlafend lag der Leu,
Die mit dem Wipfel Jovis breiten Baum
Weit überschauet hat und niedre Stauden
Vor dem gewalt'gen Wintersturm gedeckt.
Die Augen, jetzt vom Todesschlei'r umdüstert,
Sind hell gewesen wie die Mittagssonne,
Den heimlichen Verrat der Welt zu spähn.
Die Falten meiner Stirn, jetzt voller Blut,
Sind Königsgrüften oft verglichen worden:
Denn weiches Königs Grab konnt' ich nicht graben?
Wer lächelte, wenn Warwick finster sah?
Nun ist mein Glanz befleckt mit Staub und Blut.
Die Lustgeheg' und Güter, die ich hatte,
Verlassen mich; von allen Länderei'n
Bleibt nichts mir übrig als des Leibes Länge.
Was ist Pomp, Hoheit, Macht, als Erd' und Staub?
Lebt, wie ihr könnt, ihr seid des Todes Raub.
Oxford und Somerset treten auf.
SOMERSET.
Ach, Warwick, Warwick! Wärst du, wie wir sind,
Wir könnten ganz noch den Verlust ersetzen.[775]
Die Königin hat eine große Macht
Aus Frankreich mitgebracht, die Zeitung hörten
Wir eben jetzt: ach, könntest du nur fliehn!
WARWICK.
Dann wollt' ich doch nicht fliehn. – Ach, Montague,
Nimm meine Hand, bist du da, lieber Bruder,
Halt' meine Seele auf mit deinen Lippen!
Du liebst mich nicht, sonst wüschen deine Tränen
Dies kalte, starre Blut weg, das die Lippen
Mir so verklebt und mich nicht reden läßt.
Komm schleunig, Montague, sonst bin ich tot.
SOMERSET.
Ach, Warwick! Montague ist hingeschieden,
Und Warwick rief er bis zum letzten Hauch
Und sagt': »Empfiehl mich meinem tapfern Bruder!«
Mehr wollt' er sagen, und er sprach auch mehr,
Das scholl wie in Gewölben ein Geschütz,
Es war nicht zu vernehmen; doch zuletzt
Hört' ich mit Stöhnen deutlich ausgesprochen:
»Oh, leb wohl, Warwick!«
WARWICK.
Ruh' seiner Seele! – Flieht und rettet euch,
Denn Warwick sagt euch Lebewohl bis auf den Himmel.
Stirbt.
OXFORD.
Fort! Fort! dem Heer der Königin entgegen!
Alle ab mit Warwicks Leiche.
Buchempfehlung
E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz
244 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro