[522] Palast.
Leontes, Antigonus, Herren vom Hofe, Gefolge.
LEONTES.
Nicht Ruhe Tag noch Nacht; es ist nur Schwäche,
Den Vorfall so zu nehmen, nichts als Schwäche –
Wär' nur der Grund vertilgt – des Grundes Hälfte,
Die Ehebrech'rin! Der verbuhlte König
Ist außer meines Arms Bereich, entrückt
Der List, und jedem Plan verschanzt; – doch sie
Kann ich mir greifen. – Ja, war' sie nicht mehr,
Verzehrt vom Feuertod, der Ruhe Hälfte
Käm' mir vielleicht zurück. – Heda!
DIENER.
Mein König –
LEONTES.
Was macht der Prinz?
DIENER.
Er schlief die Nacht recht gut;
Man hofft, die Krankheit sei gehoben.
LEONTES.
Seht
Des Kindes Adel!
Als er begriff die Schande seiner Mutter,
Gleich nahm er ab, verfiel, und fühlt' es tief;
Er zog die Schmach, als sein, ins eigne Herz,
Floh Munterkeit, aß nicht, verlor den Schlaf;
Er welkt dem Tod entgegen. – Laßt mich: – geht,
Seht, was er macht! – Pfui, kein Gedank' an ihn; –
Schon der Gedank' der Rache dieses Weges[522]
Kehrt alsbald um; zu mächtig durch sich selbst,
Durch Freund' und Bundsgenossen, – mag er bleiben,
Bis einst die Zeit mir dient; doch schnelle Rache
Nimm jetzt an ihr! Polyxenes, Camillo
Verlachen mich und spotten meines Grams;
Erreicht' ich sie, so sollten sie nicht lachen,
Und sie soll's nicht, da sie in meiner Macht.
Paulina tritt auf mit einem Kinde.
ERSTER HERR.
Ihr dürft hier nicht herein.
PAULINA.
Nein; liebe, gute Herrn, seid mir behülflich!
Zittert ihr mehr vor seinem grimmen Wüten,
Als für der Kön'gin Leben? Sie, die Holde,
Sie, reiner, als er eifersüchtig ist.
ANTIGONUS.
Und das ist viel.
ERSTER HERR.
Er schlief nicht, gnäd'ge Frau, und hat befohlen
Daß keiner zu ihm darf.
PAULINA.
Freund, nicht so hitzig;
Ich komm', ihm Schlaf zu bringen. – Euresgleichen,
Die schleichen um ihn her wie Schatten, stöhnen,
So oft er grundlos seufzt, – ja, euresgleichen,
Die nähren seines Wachens Ursach'; ich,
Mit Worten komm' ich, die so wahr als heilsam,
Wie beides redlich, ihm das Gift zu nehmen,
Das ihn am Schlaf verhindert.
LEONTES.
Welch ein Lärm? Ha!
PAULINA.
Kein Lärm, mein Fürst, notwend'ges Reden nur
Wegen der Paten für Eu'r Hoheit.
LEONTES.
Wie?
Hinweg mit dieser kühnen Frau; Antigonus,
Ich warnte dich, daß sie nicht zu mir käme;
Ich kannte ihren Vorsatz.
ANTIGONUS.
Herr, ich droht' ihr
Bei Strafe Eures Zorns, so wie des meinen,
Euch nicht zu nahn.
LEONTES.
Wie, kannst du sie nicht zügeln?
PAULINA.
Vor allem Bösen, ja: in dieser Sache –
(Wenn er's nicht macht wie Ihr und mich verhaftet,[523]
Nur weil ich ehrenhaft) – bei meiner Seele,
Soll er mich nimmer zügeln.
ANTIGONUS.
Nun, da hört Ihr's!
Wenn sie den Zaum so nimmt, lass' ich sie laufen,
Doch stolpert sie niemals.
PAULINA.
Mein guter König,
Ich komm' und bitte, hört mich; denn gewiß,
Ich bin Euch treue Dienerin und Arzt,
Euch ganz ergebner Rat; ja, der es wagt,
Um Euch zu trösten, wen'ger so zu scheinen,
Als die hier um Euch stehn: ich sag', ich komme
Von Eurer guten Kön'gin.
LEONTES.
Gute Kön'gin?
PAULINA.
Ja, gute Kön'gin, sag' ich, gute Kön'gin;
Und wollt's im Kampf erhärten, wär' ich nur
Ein Mann, der schwächste hier!
LEONTES.
Werft sie hinaus!
PAULINA.
Wer seine Augen nur geringe achtet,
Komm' mir zu nah: von selbst werd' ich schon gehn;
Doch erst verriebt' ich mein Geschäft. – Die gute Kön'gin,
Denn sie ist gut, gebar Euch eine Tochter:
Hier ist sie, und empfiehlt sie Eurem Segen.
Sie legt das Kind vor Leontes hin.
LEONTES.
Verwegne! Fort mit ihr! Hinaus!
Du abgefeimte Kupplerin!
PAULINA.
Nicht also:
Die Sache kenn' ich nicht, und Ihr verkennt mich,
Mich so zu nennen; ganz so redlich bin ich,
Als Ihr verrückt, was, meiner Treu, genug ist,
Daß, wie die Welt geht, man für redlich gelte.
LEONTES.
Verräter!
Ihr stoßt sie nicht hinaus? Gebt ihr den Bastard: –
Du Narr, du Weiberknecht, läßt fort dich beißen,
Von der Frau Kratzefuß, – nimm auf den Bastard,
Nimm ihn und gib ihn deiner Alten!
PAULINA.
Ewig
Sei deine Hand beschimpft, wenn auf so schmachvoll[524]
Erlogne Namen, wie er ihr gegeben,
Du die Prinzeß berührst.
LEONTES.
Er scheut sein Weib!
PAULINA.
Ich wollt', Ihr tätet's auch, dann nenntet sicher
Ihr Eure Kinder Eu'r.
LEONTES.
Ein Pack Verräter!
ANTIGONUS.
Das bin ich nicht, bei Gott!
PAULINA.
Noch ich, und keiner.
Nur einen seh' ich hier, das ist er selbst,
Der sein' und seiner Kön'gin heil'ge Ehre,
Des Sohns, der Tochter, der Verleumdung opfert,
Die schärfer sticht als Schwerter; nicht 'mal will er
(Denn also fügt es sich, es ist ein Bann,
Daß nichts ihn zwingt zum Bessern) nur anrühren
Die Wurzel seines Wahns, die so verfault ist,
Wie Eich' und Felsen je gesund nur war.
LEONTES.
Die Belferin von frechem Maul, den Mann
Hat sie geprügelt und hetzt mich nunmehr!
Die Brut geht mich nichts an,
Entsprossen ist sie vom Polyxenes;
Hinweg mit ihr so wie mit ihrer Mutter,
Und werft ins Feuer sie!
PAULINA.
Das Kind ist Euer;
Und, nach dem alten Sprichwort, gleicht Euch so,
Daß es 'ne Schand' ist. – Seht doch, liebe Herrn,
Ist auch der Druck nur klein, der ganze Inhalt
Des Vaters Abschrift: Augen, Mund und Nase,
Der finstre Zug der Brau'n, die Stirn, die Grübchen.
Die hübschen hier auf Wang' und Kinn; sein Lächeln;
Ganz auch die Form der Nägel, Finger, Hände: –
Natur, du gute Göttin, die es schuf
So ähnlich dem, der's zeugte, bildest du
Auch das Gemüt, so gib aus allen Farben
Ihm nur kein Gelb, daß sie, wie er, nicht wähne,
Ihr Kind sei ihres Gatten nicht!
LEONTES.
Die Hexe! –
Und, schwacher Pinsel, du bist Hängens wert,
Der ihr den Mund nicht stopft.[525]
ANTIGONUS.
Hängt alle Männer,
Die das nicht können, und es bleibt Euch kaum
Ein Untertan.
LEONTES.
Noch einmal, fort mit ihr!
PAULINA.
Der wild'ste, unnatürlichste Gebieter
Ist nicht so arg.
LEONTES.
Ich lasse dich verbrennen.
PAULINA.
Ich frage nichts danach;
Der ist dann Ketzer, der das Feuer schürt,
Nicht sie, die brennt. Ich nenn' Euch nicht Tyrann,
Doch diese Grausamkeit an Eurer Kön'gin,
Da Ihr kein andres Zeugnis stellen könnt
Als so schwachmüt'gen Argwohn, schmeckt ein wenig
Nach Tyrannei und macht zum Abscheu Euch,
Zur Schmach für alle Welt.
LEONTES.
Bei Eurer Lehnspflicht,
Zur Tür mit ihr hinaus! Wär' ich Tyrann,
Wo wär' ihr Leben? Nimmer spräch' sie das,
Wenn sie mich dafür hielte. Fort mit ihr!
PAULINA.
Ich bitt' Euch, drängt mich nicht, ich gehe schon.
Sorgt für Eu'r Kind, Herr, Euer ist's; Gott geb' ihm
Verständ'gern Geist! – Was sollen diese Hände? –
Ihr, die so zärtlich seine Torheit pflegt,
Tut ihm kein Gut, kein einz'ger von euch allen!
Laßt, laßt: – Lebt wohl, ich gehe schon.
Sie geht ab.
LEONTES.
Verräter, du triebst hiezu an dein Weib. –
Mein Kind? Hinweg damit! – Und grade du,
Dem's so am Herzen liegt, nimm du es weg,
Und lass' es augenblicks ins Feuer werfen;
Du sollst es tun, kein andrer. Nimm es gleich:
In dieser Stunde meld', es sei geschehn,
Bring' gült'ges Zeugnis, sonst bezahlt's dein Leben
Und derer, die du dein nennst. Weigerst du
Und willst begegnen meiner Wut, so sprich,
Und gleich mit eigner Handschlag' ich hier aus
Des Bastards Hirn. Geh, wirf es gleich ins Feuer,
Denn du triebst an dein Weib.
ANTIGONUS.
Das tat ich nicht;[526]
Die Herrn hier, meine edlen Freunde, sprechen
Mich davon frei.
ERSTER HERR.
Wir können's, großer König:
Er ist nicht schuld, daß sie herein gekommen.
LEONTES.
Ihr allesamt seid Lügner.
ERSTER HERR.
Eu'r Hoheit mög' uns beßre Meinung schenken:
Wir haben stets Euch treu gedient, und bitten,
Uns so zu achten; auf den Knieen flehn wir,
Als einz'gen Lohn für unsre besten Dienste,
Vergangne, künft'ge, – ändert diesen Vorsatz,
Der, von so furchtbar blut'ger Art, muß führen
Zu unheilvollem Ausgang. Alle knien wir.
LEONTES.
Ich bin nur Feder jedem Hauch des Windes; –
Leben soll ich, den Bastard knien zu sehn,
Mich Vater nennend? Besser, jetzt verbrannt,
Als dann ihm fluchen. Doch es sei, er lebe;
Und dennoch soll er nicht. – Du, komm hieher,
Der in so zarter Sorge sich bemühte,
Mit Dame Frechmaul, der Hebamme da,
Den Bastard hier zu retten, – denn das ist er,
So wahr, wie grau dein Bart, – was willst du wagen,
Zu retten dieser Brut das Leben?
ANTIGONUS.
Alles,
Was meine Fähigkeit vermag, mein König,
Und Ehre fodern kann: zum mind'sten dies:
Das wen'ge Blut, das mir noch blieb, verpfänd' ich
Zum Schutz der Unschuld: alles, was nur möglich.
LEONTES.
Ja, möglich ist es; schwör' bei diesem Schwert,
Daß meinen Willen du vollbringst.
ANTIGONUS.
Ich schwöre.
LEONTES.
Gib acht und tu's: denn siehe, fehlst du nur
Im kleinsten Punkt, das bringt nicht dir allein,
Auch deinem lästerzüng'gen Weib den Tod,
Der ich verzeih' für diesmal. – Wir gebieten
Bei deiner Lehnspflicht, nimm hier diesen Bastard,
Und trag' ihn gleich von dann', an einen Ort,
Der wüst und menschenleer und weit entfernt
Von unsern Grenzen ist, und lass' ihn dort[527]
Ohn' alle Gnad' in seinem eignen Schutz,
Der freien Luft vertraut. Von einem Fremdling
Kam er zu uns: mit Recht befehl' ich drum,
Bei deiner Seele Heil, des Leibes Marter,
Daß du ihn wo in fremdes Land aussetzest,
Wo Glück ihn nähren, töten mag. So nimm ihn!
ANTIGONUS.
All dies beschwör' ich, obwohl schneller Tod
Barmherz'ger wäre. – Komm, du armes Kind;
Ein mächt'ger Geist mag Kräh'n und Geiern lehren,
Daß sie dir Ammen sind! Hat Bär und Wolf
Doch, wie man sagt, der Wildheit schon vergessen
In gleichem Liebesdienst. – Herr, seid beglückt,
Mehr als es diese Tat verdient! Und Segen
Mag solcher Grausamkeit entgegen kämpfen,
Für dich, du armes Ding, dem Tod geweiht!
Er geht mit dem Kinde ab.
LEONTES.
Nein, fremde Brut will ich nicht auferziehn.
ERSTER DIENER.
Mein Fürst, so eben langte Botschaft an
Von Euren Abgesandten zum Orakel;
Cleomenes und Dion kehrten glücklich
Von Delphi wieder heim und sind gelandet,
Bald hier zu sein.
ERSTER HERR.
Erlaubt, die Reise war
Beschleunigt, mehr als wir erwarten konnten.
LEONTES.
Sie waren dreiundzwanzig Tage fort,
Sehr schnell; dies zeigt, der mächtige Apollo
Will, daß man hievon bald die Wahrheit wisse.
Bereitet euch, ihr Herrn, beruft den Rat,
Daß wir die höchst treulose Kön'gin richten:
Denn, wie sie öffentlich ist angeklagt,
So werd' ihr auch gerecht und frei Verhör.
Solang' sie lebt, ist mir das Herz beschwert: –
Jetzt laßt mich, und tut das, was ich befohlen!
Alle ab.[528]
Ausgewählte Ausgaben von
Das Wintermärchen
|
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro