Vierte Szene

[130] Straße in Padua.


Tranio und der Magister, als Vincentio gekleidet, treten auf.


TRANIO.

Dies ist das Haus, Signor: sagt, soll ich rufen?

MAGISTER.

Jawohl! Was sonst? Und wenn ich mich nicht täusche,

Muß sich Signor Baptista mein erinnern; –

Bald sind es zwanzig Jahr; in Genua war's,

Da wohnten beide wir im Pegasus.

TRANIO.

So ist es recht. – Bleibt nur in dem Charakter,

Seid strenge, wie es einem Vater ziemt!


Biondello kommt.


MAGISTER.

Seid unbesorgt! Doch seht, hier kommt Eu'r Bursch,

Den müßt Ihr noch belehren.

TRANIO.

Um den seid unbekümmert! He, Biondello,

Nimm dich zusammen, ja, das rat' ich dir,

Halt' fest im Sinn, dies sei Vincentio.

BIONDELLO.

Ei, das ist meine Sache.

TRANIO.

Doch hast du's auch Baptista angemeldet?

BIONDELLO.

Der Alte, sagt' ich ihm, sei in Venedig,

Und daß Ihr heut in Padua ihn erwartet.

TRANIO.

Du bist ein tücht'ger Kerl; nimm das zum Trinken!

Hier kommt Baptista: nun macht ernste Mienen! –


Baptista und Lucentio kommen.


Signor Baptista! glücklich angetroffen!

Vater,

Dies ist der Herr, von dem ich Euch erzählt.

Ich bitt' Euch, handelt väterlich an mir,

Gebt mir mein Erbteil nun um Biancas willen![130]

MAGISTER.

Sacht, sacht, mein Sohn! –

Mit Eurer Gunst, mein Herr! – Nach Padua kommend,

Um Schulden einzufodern, setzt mein Sohn

In Kenntnis mich von einer großen Sache,

Betreffend sein' und Eurer Tochter Liebe.

Und teils des Rufes halb, in dem Ihr steht,

Teils um des Liebesbunds von seiner Seite,

So wie von ihrer: – Nicht ihn hinzuhalten,

Stimm' ich dazu, in väterlicher Sorgfalt,

Ihn bald vermählt zu sehn: und sagt Ihr »ja«

So williglich als ich, sollt Ihr mich sicher

(Verständ'gen wir uns erst) höchst dienstlich finden,

Damit gemeinsam der Kontrakt sich schließe.

Denn schwierig kann ich gegen Euch nicht sein,

Mein Teurer, Eures guten Rufes halb! –

BAPTISTA.

Verzeiht, Signor, was ich erwidern muß:

Eu'r bünd'ger kurzer Antrag ist mir lieb;

So viel ist wahr: Lucentio, Euer Sohn,

Liebt meine Tochter, und sie liebt ihn wieder,

Wenn beide nicht die größten Heuchler sind.

Deshalb, wenn Ihr nichts weiter habt zu sagen,

Als daß Ihr wie ein Vater an ihm handeln,

Und meinem Kind ein Wittum wollt verschreiben,

So ist es gut: die Heirat ist gemacht,

Eu'r Sohn erhält mein Kind mit gutem Willen.

TRANIO.

Ich dank' Euch, Herr. Wo scheint's Euch wohl am besten,

Uns zu verloben und den Eh'kontrakt

Nach gegenseitigem Vertrag zu stiften?

BAPTISTA.

Nur nicht bei mir: Ihr wißt, es haben Ohren

Die Wände, meine Dienerschaft ist groß,

Der alte Gremio auch paßt immer auf,

So kann man dort gar leicht uns unterbrechen.

TRANIO.

In meiner Wohnung denn, wenn's Euch gefällt:

Dort wohnt mein Vater; dort, noch diesen Abend,

Verhandeln wir die Sache still und heimlich.

Schickt diesen Diener hin zu Eurer Tochter;

Mein Bursch soll gleich uns den Notar besorgen.[131]

Das Schlimmste bleibt, – daß, hastig so bestellt,

Ihr hast'ge, magre Vorbereitung findet.

BAPTISTA.

Das gilt mir gleich. Nun, Cambio, eilt nach Haus

Und sagt an Bianca, sich bereit zu halten:

Und wenn Ihr wollt, erzählt, was sich begeben,

Lucentios Vater kam nach Padua,

Und sie wird nun wohl bald Lucentios Frau. –

LUCENTIO.

Daß dies gescheh', fleh' ich zu allen Göttern!

TRANIO.

Halt' dich nicht auf mit Göttern, sondern geh!

Signor Baptista, zeig' ich Euch den Weg?

Willkomm'! – Ihr trefft wohl heut nur eine Schüssel,

In Pisa mach' ich's wieder gut. –

BAPTISTA.

Ich folg' Euch.


Tranio, Magister und Baptista ab.


BIONDELLO. Cambio! –

LUCENTIO. Was sagst du, Biondello?

BIONDELLO. Ihr saht doch meinen Herrn mit den Augen blinzeln und Euch anlachen?

LUCENTIO. Und das heißt, Biondello?

BIONDELLO. Ei, das heißt nichts; aber er ließ mich hier zurück, Euch den Sinn und die Moral seiner Zeichen auszulegen.

LUCENTIO. Nun, so bitte ich dich, kommentiere sie denn!

BIONDELLO. Also denn wie folgt. Baptista ist fest und schwatzt mit dem trügenden Vater eines trügerischen Sohns.

LUCENTIO. Nun, und was weiter? –

BIONDELLO. Ihr sollt seine Tochter zum Abendessen führen.

LUCENTIO. Und dann? –

BIONDELLO. Der alte Pfarrer an der Sankt Lukaskirche steht Euch jede Stunde zu Gebot.

LUCENTIO. Und was soll nun das alles? –

BIONDELLO. Das weiß ich nicht; nur das weiß ich, daß sie sich jetzt mit einer nachgemachten Versicherung beschäftigen. Denkt Ihr nun darauf, Euch ihrer zu versichern, cum privilegio ad imprimend um solum: macht, daß Ihr zur Kirche kommt: nehmt Pfarrer, Küster und ein paar gültige Zeugen mit: –[132]

Und hilft Euch nicht zum Ziele, was ich Euch jetzt erdacht,

Sagt Eurer schönen Bianca nur auf ewig gute Nacht!

LUCENTIO. Höre noch, Biondello ...

BIONDELLO. Ich habe keine Zeit. Ich kenne ein Mädchen, die verheiratete sich an einem Nachmittag, als sie in den Garten ging und Petersilie pflückte, um ein Kaninchen zu füllen; warum denn nicht auch Ihr, Herr? Und so lebt wohl! Mein Herr hat mir aufgetragen, nach Sankt Lukas zu gehn, damit der Pfarrer zur Hand sei, wenn Ihr mit Eurem Appendix ankommen werdet.


Ab.


LUCENTIO.

Ich kann und will, wenn sie's zufrieden ist:

Sie wird es tun, weshalb denn sollt' ich zweifeln?

Mag's gehn, wie's will. Zu ihr! Mein Herz vertraut ihr:

Cambio, frisch auf! Erwirb die holde Braut dir!


Ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 130-133.
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