Erste Scene

[48] (Ein Wald nahe bei Athen.)


Arcites tritt auf.


ARCITES.

Der Herzog sucht Hippolyta. Sie ritt

Nach andrer Richtung. – Heute feiert man

Das Fest des Blumenmonds im grünen Walde

Hier bei Athen. – Emilia, Königin,

Du, frischer als der Mai, viel schöner du

Als seine goldnen Knösplein an den Zweigen,

Als all der Gärten und der Wiesen Zier,

Was ist die Nymphe, die des Baches Ufer

Mit Blumen schmückt, was ist sie gegen dich?

Du bist des Waldes, bist der Welt Juwel,

Und heiligst jeden Ort, an dem du weilst.

O, daß du manchmal meiner doch gedächtest,

Und unsere Gedanken so sich träfen!

Dreimal gesegnet nenn' ich mein Geschick,

Das solche edle Herrin mir beschieden.

Sag' mir, Fortuna, – du, die nächst Emilia

Gebietest über mich, was darf ich hoffen?

Gewogen scheint sie mir, hält mich um sich

Und hat mir heut an diesem schönen Morgen,

Dem lieblichsten des Jahrs, zwei prächt'ge Pferde,

Die selbst gekrönte Könige zu tragen

Zu schlecht nicht wären, zum Geschenk gemacht. –

Palämon, armer Vetter, dich Gefangnen

Bedaur' ich! Ach! So wenig ahnest du,

Wie glücklich ich jetzt bin, daß du dich selbst

Für den Beglückten hältst, weil du Emilien

Dich näher glaubst; doch wenn dir jemand sagte,

Daß der Geliebten Athem mich umweht,

Mein Ohr sie hört, in ihrem Blick ich lebe,

O, Vetter, dich verzehrte Eifersucht!


[48] (Palämon tritt aus einem Gebüsch heraus, noch mit den Fesseln beladen; er hebt gegen Arcites die Faust auf.)


PALÄMON.

Verrätherischer Vetter! Hinderten

Nicht diese Zeichen der Gefangenschaft

Den Arm mir, hätt' ein Schwert ich in der Hand,

So wollt' ich meinen Zorn dich fühlen lassen,

Bekennen solltest du dich als Verräther

Vor mir und meiner Liebe Richterstuhl!

Treuloser mit des Edelmanns Mienen,

Ehrloser, der der Ehre Zeichen trägt,

Heimtück'scher Vetter, der sein Blut verleugnet –

Du nennst sie dein? Beweisen will ich dir's,

Gefesselt wie ich bin, mit diesen Händen,

Wie ich da steh', daß du ein Lügner bist,

Ein Liebesdieb, ein unverschämter Prahler,

Der selbst den Namen Schurke nicht verdient!

Hätt' ich ein Schwert und wär' der Fesseln ledig –

ARCITES.

Palämon, lieber Vetter! –

PALÄMON.

Gib mir Antwort,

Wie's einem Mann geziemt! –

ARCITES.

Ich finde nichts

In meiner Brust, dein Drohen zu erwidern!

Hör' mich mit Ruhe an: Die Leidenschaft

Führt irre dich, sie ist dein eigner Feind

Und darum auch der meine. Ehr' und Treue

Sind heilig mir, wie sehr du mir sie auch

Absprechen willst! Mit ihnen, guter Vetter,

Bring' ich in Einklang alles, was ich that;

Ein Ebenbürt'ger steht dir gegenüber!

Fügt' ich dir Unrecht zu, so sag' es mir

In würd'ger Weise, – und mit Wort und Schwert

Werd' ich als Edelmann dir Rede stehn!

PALÄMON.

Das wagtest du, Arcit?

ARCITES.

Ei, ei, Palämon!

Ich denke doch, du wüßtest, was ich wage,

Mein Schwert kennt keine Furcht! Wahrhaftig, niemand

Bezweifelt meine Tapferkeit als du,

Der vor dem Altar für sie zeugen sollte.

PALÄMON.

's ist wahr, im Kampf der Männer sah ich dich

Als Held; man nennt dich einen guten Ritter

Und tapfer. Aber regnet's einen Tag,[49]

So ist die ganze Woche gleich verdorben.

Verräthern geht die Tapferkeit verloren,

Sie kämpfen wie gefangne Bären, die

Viel lieber flöhen, wenn sie frei nur wären.

ARCITES.

Sprich immer, stell' dir's so im Spiegel vor,

Nicht mir, der dich verachtet!

PALÄMON.

Komm heran,

Nimm mir die Fesseln ab, gib mir ein Schwert,

Das schlechteste, und – aus Barmherzigkeit

Etwas zu essen. Dann tritt vor mich hin

Mit einem guten Schwerte in der Hand

Und sage, daß Emilia dir gehöre!

Vergeben will ich alles, was du that'st,

Ja, meinen Tod selbst, wenn du Sieger bleibst;

Und wenn mich im Elysium tapfre Seelen,

Die männlich starben, um der Erde Dinge

Befragen, will ich ihnen nichts verkünden,

Als daß du brav und tapfer bist.

ARCITES.

Sei ruhig

Und geh' zurück jetzt in dein grünes Haus.

In stiller Nacht komm' ich mit Speise her,

Die Fesseln feil' ich ab und bring' dir Kleider,

Auch duftend Oel, des Kerkers Dunst zu scheuchen.

Sobald du dann gestärkt dich fühlst und sprichst:

»Arcit, jetzt ist mir wohl!« soll's auch an Schwert

Und Rüstung dir nicht fehlen!

PALÄMON.

O, ihr Götter,

Ward Missethat so edel je vollbracht?

Das kann fürwahr Arcit nur, – er allein

Ist das zu thun im Stande.

ARCITES.

Lieber Vetter, –

PALÄMON.

Dein Anerbieten nehm' ich an und danke;

Willkommen ist's – dein Anerbieten mein' ich.

Dich selber aber, offen sprech' ich's aus,

Wünsch' ich mir vor die Schneide meines Schwertes.


(Hörnerklang.)

ARCITES.

Hörst du die Hörner dort! In das Gebüsch

Zieh' dich zurück und laß den Zug vorüber.

Gib mir die Hand jetzt, lebe wohl! Ich bringe

Dir alles, was du brauchst, und bitte dich:

Sei stark und fasse Muth![50]

PALÄMON.

Halt dein Versprechen,

Wie schwer es dir auch wird. Du liebst mich nicht,

Das weiß ich, darum sprich nur rauh mit mir

Und laß der Rede glatte Form beiseite;

Ich möcht' statt jedes Worts dir Schläge geben,

Mit Gründen schafft man einmal nichts bei mir.

ARCITES.

Das wenigstens ist ehrlich. Jeder macht's

Nach seiner Art. Ich schelte nicht mein Pferd,

Wenn ich es sporne; Aerger wie Gefallen,

Sie tragen einerlei Gesicht bei mir.


(Hörnerklang.)


Jetzt ruft man die Zerstreuten zum Banket,

Mein Dienst verlangt dorthin mich!

PALÄMON.

Solch ein Dienst

Gefällt dem Himmel nicht, denn unbefugt

Versiehst du ihn.

ARCITES.

Man übertrug ihn mir,

So ist's mein Recht; doch diese heikle Frage,

Sie bleibt als Krankheit zwischen uns, die erst

Durch einen Aderlaß geheilt muß werden.

So überlaß sie also deinem Schwert

Und sprich nicht mehr davon.

PALÄMON.

Nur noch ein Wort:

Du gehst und wirst jetzt meine Herrin sehn,

Denn mir gehört sie –

ARCITES.

Mir!

PALÄMON.

Nein, sie ist mein! –

Durch Speise willst du neue Kraft mir geben,

Indeß du einer Sonn' ins Antlitz schaust,

Die allem Kraft verleiht, auf das sie blickt.

So bist du doch im Vortheil gegen mich.

Gleichviel – bis ich es bess're, sei's! Leb' wohl!


(Beide ab.)


Quelle:
Die englische Bühne zu Shakespeare's Zeit. Zwölf Dramen seiner Zeitgenossen. Leipzig: Brockhaus, 1890, S. 48-51.
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