[51] (Ein anderer Theil des Waldes.)
Die Tochter des Gefängnißwärters.
TOCHTER.
Den Ort, den ich ihm angab, fand er nicht,
Er irrt umher, und schon beginnt's zu tagen.[51]
Was fang' ich an? Ich wollt', 's wär' ewig Nacht
Und Finsterniß wär' Herrscherin der Welt.
Horch, horch! Das ist ein Wolf! Ach, mir hat Leid
Die Furcht getödtet. Um Palämon nur
Bin ich in Sorge; hätt' er nur die Feilen,
So möchte mich der Wolf verschlingen. Ha,
Wie wär' es, wenn ich ein Hallo erhübe?
Zu schwach ist meine Stimme! Oder ahm' ich
Den Ruf der Eule nach? Er hört es nicht,
Ich locke damit nur den Wolf heran.
Was das für ein Geheul die ganz Nacht
Im Wald hier war! Wenn er nur nicht die Beute
Der wilden Thiere ward, denn ohne Waffen
Ist er, und dabei doch am Lauf behindert.
Das Klirren seiner Ketten lockt die Bestien
Auf seine Spur, die aus Instinct schon wissen,
Ob einer wehrlos oder gut gewaffnet
Zum Widerstande ist. – Gesetzt den Fall,
Sie hätten, ach, in Stücke ihn zerrissen,
Denn viele heulten miteinander hier,
Und können ihn gar leicht verschlungen haben,
Was dann? Mach' es dir klar, was dann, was dann?
Ach, wenn er todt ist, so ist alles aus!
Doch nicht! Du irrst, dann hängt man deinen Vater,
Weil jener floh, und schickt dich Arme betteln,
Wenn du am Leben hängst und alles leugnest,
Was du gethan. Doch nein, das werd' ich nicht,
Und müßt' ich tropfenweis den Tod verschlucken.
Mir schwindelt! Seit zwei Tagen aß ich nichts,
Trank etwas Wasser nur und schloß kein Auge.
Erlöse mich von meinen Leiden, Tod,
Daß ich verrückt nicht werde, mich ersäufe,
Erdolche oder hänge! Brich, Natur,
Zusammen, da die besten Stützen wanken.
Wo geh' ich hin? Wohin, als in das Grab,
Auf jedem andern Wege find' ich Qualen.
Die Heimchen zirpen schon, der Mond geht unter,
Der Eule Schrei verscheucht die Dämmerung.
Die Nacht hat ihr Geschäft vollbracht, nur meines
Blieb ungethan; doch alles muß zuletzt
Ein Ende nehmen, das ist noch das Beste!
(Ab.)[52]
Ausgewählte Ausgaben von
Die beiden edlen Vettern
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