[26] (Eine Ebene vor Theben.)
Trompetenstöße. Schlacht. Rückzug. Theseus als Sieger tritt auf. Ein Herold. Gefolge. Die drei Königinnen gehen Theseus entgegen und fallen vor ihm nieder.
ERSTE KÖNIGIN.
Dir leuchten alle Sterne!
ZWEITE KÖNIGIN.
Erd' und Himmel
Sei'n günstig dir!
DRITTE KÖNIGIN.
Der Götter Segen träufle
Auf dich hernieder, Amen, ruf' ich, Amen!
THESEUS.
Vom hohen Himmel schaun gerechte Götter
Auf Sterbliche herab, sehn, wie sie irren,
Und strafen, wenn es Zeit. Nun geht und sucht[26]
Nach den Gebeinen Eurer todten Gatten,
Bestattet sie mit feierlichen Ehren.
Daß nichts dazu Euch fehle, sorgen wir
Und geben Auftrag, daß man Euch sofort
In Eure Würd' einsetze und vollende,
Was unsre Eile unvollendet läßt.
So lebet wohl, der Himmel schütze Euch!
(Die drei Königinnen ab.)
(Man bringt Palämon und Arcites auf einer Tragbahre herein.)
Sag', wer sind diese?
HEROLD.
Nach der Kleidung Leute
Von hohem Stande. Wie theban'sche Männer
Uns sagten, wäre sie des Königs Neffen,
Die Söhne seiner Schwestern.
THESEUS.
Bei Mars' Helm,
Ich sah die beide in der Schlacht, wie Löwen
Vom Blut des Wildes triefend, ihren Weg
Durch der erschreckten Krieger Reih'n sich bahnen.
Unausgesetzt behielt ich sie im Auge,
Es war ein Schauspiel, eines Gottes würdig!
Wie nannte der Gefangne sie, den ich
Nach ihrem Namen fragte?
HEROLD.
Hört' ich recht,
So nannt' er sie Palämon und Arcites.
THESEUS.
Ganz recht, es sind dieselben. Sind sie todt?
HEROLD.
Nicht todt und nicht lebendig. Hätt' man sie,
Als sie verwundet wurden, gleich gefangen,
So wären sie vielleicht davongekommen;
Doch athmen sie und sehn wie Männer aus!
THESEUS.
Und auch wie Männer soll man sie behandelt.
Die Hefe solcher gilt unendlich mehr
Als Millionen andrer bester Wein.
Ruft alle unsre Aerzte für sie her,
Spart nicht den Balsam, sei er noch so kostbar,
Für ihre Heilung, denn ihr Leben gilt
Mir mehr als Theben. – Lieber als in Freiheit
Und kräftig, wie sie heute Morgen waren,
Säh' ich sie todt, doch hunderttausendmal
Noch lieber so gefangen hier, als todt.
Die frische Luft möcht' ihnen schädlich sein,
Tragt sie hinein. Was Menschenhülfe nur[27]
Kann leisten, leistet es um unsertwillen.
Ich weiß, wie Schrecken, Wuth, der Freunde Drängen,
Reizung der Liebe, Eifer, Müh' um Frau'n,
Wie Sehnsucht nach der Freiheit, Fieber, Wahnsinn
Uns solche Ziele setzen, daß Natur
Sie ohne großen Zwang nicht kann erreichen,
Wobei dann Kraft des Willens und Vernunft
Leicht Schiffbruch leiden. Darum thut für mich
Und um Apollo's Gnade, was Ihr könnt
Und pflegt sie gut. Jetzt führt mich in die Stadt,
Von wo ich, wenn ich alles dort geordnet,
Fort eile nach Athen, dem Heer voraus.
(Trompetenstöße. Alle ab.)
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