[23] (Vor den Thoren von Athen.)
Pirithous, Hippolyta und Emilia treten auf.
PIRITHOUS.
Nicht weiter!
HIPPOLYTA.
Lebet wohl, Pirithous!
Bringt meine Grüße unserm großen Fürsten,
Sagt ihm, an seinem Siege zweifl' ich nicht,
Doch sollte bösem Glücke er begegnen,
So wünsch' ich ihm, daß seine Kraft es zwinge.[23]
Eilt schnell zu ihm! man hat ja nie genug
Der treuen Helfer.
PIRITHOUS.
Nur ein Tropfen ist,
Was ich in seinen Ocean kann schütten,
Doch ist's Tribut, den ich ihm schuldig bin.
(Zu Emilia.)
Mein theures Kind, bewahrt Euch im Gemüthe
Die köstlichen Gefühle, die der Himmel
Nur seinen Auserwählten senkt ins Herz!
EMILIA.
Ich dank' Euch, lieber Herr; und grüßt von mir
Den königlichen Bruder. Beten will ich
Daß ihm Bellona günstig sei! Und da
Uns Erdgebornen Bitte ohne Gabe
Nicht ansteht, will ich ihr das Beste bringen,
Von dem man sagt, sie lieb' es. Unsre Herzen
Sind dort bei seinem Heer – in seinem Zelt.
HIPPOLYTA.
In seiner Brust! Wir waren selber Krieger
Und jammern nicht, wenn unsre theuren Helden
Den Helm aufsetzen, auf die Meerfahrt ziehn,
Von aufgespießten Säuglingen erzählen,
Oder von Frauen, die die eignen Kinder
Gesalzt mit ihren Thränen selbst verschlangen.
Wenn Ihr auf solche Schwachheit von uns wartet,
So kommt Ihr, denk' ich, niemals fort von hier!
PIRITHOUS.
Den Frieden wünsch' ich Euch, und mir den Krieg,
In den ich ohne Weilen nun will ziehn.
(Ab.)
EMILIA.
Wie sehr er sich nach seinem Freunde sehnt!
Seit jener fortzog, galt ihm alles gleich:
Das Wichtigste, das seine Sorgfalt heischte,
Nachlässig that er's, völlig unbekümmert,
Ob es zum Vortheil ausschlug oder Schaden;
Wenn ein Geschäft ihm auf den Händen lag,
So dacht' er an ein andres, und sein Geist
Mußt' so verschiedenart'ge Zwillinge
Zu gleicher Zeit ernähren. Habt Ihr ihn,
Seid Theseus von uns schied, beobachtet?
HIPPOLYTA.
Sehr aufmerksam und ihn nur mehr geliebt.
Sie beide waren Kampf- und Schlafgenossen,
Die, so in Mangel wie Gefahr vereint,
Zu mancher Zeit, an manchem Orte kämpften.
Reißende Ströme haben sie durchschwommen,[24]
Vor deren Wuth der kühnste Schwimmer bebt,
Gefochten, wo gewisser Tod in Aussicht –
Doch brachten sie es durch. Ihr Band der Liebe
Ist so mit Kunst, so stark und fest gewebt,
Daß sich's verschleißen, doch nicht reißen kann.
Ich meine, müßte Theseus seines Herzens
Aufricht'ge Neigung theilen, daß er selbst
Nicht würde sagen können, welche Hälfte,
Wollt' er gerecht sein, ihm die liebre wär'.
EMILIA.
Doch eine muß es sein und die seid Ihr,
Ich wüßte keinen Grund, weswegen nicht!
Einst gab es eine Zeit, in welcher ich
Mich einer Spielgenossin durft' erfreun.
Ihr war't damals im Krieg, als sie das Grab
Verherrlichte, das stolz war sie zu betten,
Und Abschied nahm vom Monde, der erblich,
Als sie von hinnen ging. Wir waren beide
Elf Jahr' erst alt!
HIPPOLYTA.
Du meinst Flavina?
EMILIA.
Ja!
Ihr spracht von Theseus' und Pirithous' Liebe.
Begründeter gewiß ist ihre, reifer,
Durch Wahl und Urtheil stärker ausgerüstet,
Da gegenseitiges Bedürfniß ja
Der Liebe engverschlungne Wurzeln nährt.
Doch ich und sie, von der ich seufzend rede,
Wir waren kleine, unschuldsvolle Dinger,
Die sich nur liebten, weil sie eben mußten,
Wie Elemente einfach wirken müssen,
Und selber doch nicht wissen wie? warum?
Was ihr gefiel, gefiel auch mir, was nicht,
Das war auch ohne weitres mir zuwider.
Brach ich 'ne Blume, die ich in den Busen
Mir steckte (der zu schwellen erst begann),
Litt es sie nicht, bis daß sie eine gleiche
An ihre jungfräuliche Brust gelegt,
Wo beide dann ihr Leben, phönixgleich,
In Duft verhauchten. Meiner Locken Schmuck
War Muster ihr; die Kleidung, die sie trug,
Die einfach immer, doch geschmackvoll war,
Wählt' ich zu Festen mir. Hatt' ich ein Lied[25]
Mit meinem Ohr erlauscht und summt' es leise,
So sing sie's auf, ließ es nicht wieder los
Und sang's im Schlafe noch. – Was ungerufen
Mir so in das Gedächtniß kommt, beweist,
Daß Liebe zwischen Mädchen heft'ger ist
Als zwischen den verschiedenen Geschlechtern.
HIPPOLYTA.
Ihr seid ganz hingerissen, dieser Eifer
Beweist nur, daß ihr niemals einen Mann
So lieben könnt, wie Ihr Flavina liebtet.
EMILIA.
Dess' bin ich ganz gewiß.
HIPPOLYTA.
Doch, Schwesterchen,
Glaub' ich in diesem Punkt Euch dennoch nicht,
Obgleich ich weiß, daß Ihr es ehrlich meint.
Mir scheint dies nur ein krankhafter App'tit,
Der leicht in Ekel umschlägt. Wär' ich reif
Für Eure Weisheit, ei da hättet Ihr
Fürwahr genug gesagt, um aus den Armen
Des edlen Theseus mich herauszureden,
Für dessen Heil ich in dem Tempel jetzt
Will beten, mit der freudigen Gewißheit,
Daß ich den ersten Platz in seinem Herzen
Dennoch besitze vor Pirithous.
EMILIA.
Bewahrt Euch diesen Glauben, während ich
Bei meinem bleibe.
(Beide ab.)
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