[95] (Ein Theil des Waldes bei Athen, nahe dem für den Kampf bestimmten Platz.)
Trompetenstöße. Theseus, Hippolyta, Emilia, Pirithous nebst Gefolge treten auf.
EMILIA.
Ich bleibe hier.
PIRITHOUS.
Wollt Ihr es nicht mit ansehn?
EMILIA.
Nein, lieber wollt' ich sehn, wie ein Rothkehlchen
Die Mücke spießt, als diesem Kampf beiwohnen;
Denn jeder Schlag bedroht ein edles Leben,
Seufzt, wenn er niederfallen muß und klingt
Wie Leichenglocke mehr als Schwerterschlag.
Ich bleibe hier, genug schon, daß mein Ohr
Mit dem, was dort geschieht, bestraft soll werden,
Daß ich's nicht stopfen kann, – mein Auge aber
Kann ich verschließen vor dem Schreckensanblick.
PIRITHOUS.
Herr, Eure Schwester will nicht weiter gehn.
THESEUS.
Sie muß, dort wird sie Heldenthaten sehn,
Verherrlicht wohl von Pinsel und von Meißel,[95]
Doch hier vollbracht in ihrer Gegenwart,
Daß Ohr und Auge davon zeugen können.
Du darfst nicht fehlen, denn des Siegers Lohn
Und Preis und Krone bist du, wie du ja
Des Kampfes Anlaß warst.
EMILIA.
Verzeih' mir, Bruder,
Wär' ich dabei, ich schlösse doch die Augen.
THESEUS.
Du mußt dabei sein. Dieser Zweikampf ist
Wie eine Nacht und du der einz'ge Stern,
Der sie erhellt.
EMILIA.
Laß mich erloschen sein!
Unselig ist dies Licht, es zeigt den einen
Dem andern nur, so daß sich beide finden.
O Finsterniß, des Schreckens Mutter du,
Die Millionen Sterbliche verwünschen,
Wirf deinen schwarzen Mantel über sie,
Daß keiner seinen Gegner sehen möge.
So bess're deinen Namen und thu' Buße
Für manche Greuelthat, die du begingst.
HIPPOLYTA.
Komm mit uns, Schwester!
EMILIA.
Nein, ich bleibe hier.
THESEUS.
Dein Auge soll der Ritter Muth entflammen.
Du bist des Kampfes Kleinod, darfst nicht fehlen,
Du mußt den Preis ertheilen!
EMILIA.
Laß mich, Bruder!
Wer König ist, der schöpft aus sich sein Recht.
THESEUS.
Nun, wie du willst. Doch die gezwungen sind
Mit dir zu bleiben, werden ihren Dienst
Gewiß verwünschen.
HIPPOLYTA.
Schwester, lebe wohl!
Mich freut es nur, daß ich auf diese Weise
Doch etwas früher deinen Gatten soll
Erfahren als du selber. Mögen nun
Die Götter von den beiden dir den besten
Bescheren, darum bitt' ich sie inbrünstig.
(Alle ab, außer Emilia und einige ihres Gefolges.)
EMILIA.
Ein würdevolles Antlitz hat Arcites!
Doch ist sein Auge wie ein schwer Geschütz,
Das nicht gerichtet ward und niemand droht,
Wie eine scharfe Waffe in der Scheide.
Auf seinem Angesicht sind Mannesmuth[96]
Und Milde Bettgenossen. Krieg'rischer
Sieht wohl Palämon aus. Ihm ist die Stirn
Gefurcht, und wenn er sie zusammenzieht,
Begräbt er eine ganze Welt darin.
Doch ist's nicht immer so, es ändert sich
Nach den Gedanken, die ihn grad' beherrschen.
Lang' weilt sein Aug' auf einem Gegenstand;
Ihm stehet Schwermuth gut, Arciten Frohsinn,
Doch ist Palämon's Traurigkeit nichts weiter
Als eine Art von Frohsinn, so gemischt,
Als mach' ihn Frohsinn traurig, Schwermuth fröhlich.
Der finstre Ernst, der andern häßlich steht,
Zeigt sich bei ihm in einer schönen Form.
(Hörnerklang. Dann Trompetenstöße, wie zum Angriff.)
Horch, wie es jetzt zum Kampf die Fürsten ruft.
Wird mich Arcit gewinnen? Wird Palämon
Arciten so verwunden, daß er ihm
Des Leibes Schönheit raubt? O, nur zu sehr
Ist dies zu fürchten! Wäre ich dabei,
Nur Schaden brächt' es. Ihre Augen würden
Auf mich gerichtet sein; so könnt' es kommen,
Daß sie versäumten sich zu rechter Zeit
Zu schützen oder vorzugehn zum Angriff.
Nein, besser ist es, daß ich ferne bin.
O, lieber nicht geboren sein, als solchem
Unsel'gen Spiel als Zeuge beizuwohnen.
(Hörnerklang und Rufe hinter der Scene. Man hört »Hoch Palämon!« schreien.)
Was für ein Lärm!
DIENERIN.
Sie rufen: »Hoch Palämon!«
EMILIA.
So siegte er? Ich hab' es gleich gedacht.
Auf seinem schönen Antlitz lag der Sieg;
Der Männer erster ist er zweifellos.
Ich bitte dich, lauf' hin und bring' mir Nachricht,
Wie es dort steht!
(Lärm. Hörnerklang. Erneuerte Rufe: »Hoch Palämon!«)
DIENERIN.
Noch immer: »Hoch Palämon!«
EMILIA.
Lauf hin und frage.
(Dienerin ab.)
Ach, mein armer Ritter,
Du unterlagst! Auf meiner rechten Brust
Trag' ich dein Bild, Palämon's auf der linken.
Warum? Ich weiß es nicht, der Zufall that's,[97]
Es war nicht Absicht. Auf der linken Seite
Da liegt das Herz, die beste Stelle hatte
Palämon.
(Wiederholtes Geschrei, Hörnerschall und Rufen.)
Dieser Stimmen lautes Toben
Bedeutet, daß der Kampf zu Ende ist.
(Die Dienerin kehrt zurück.)
DIENERIN.
Man sagte mir, Palämon hätt' Arciten
Schon fingerbreit der Säule nah gedrängt,
Sodaß man »Hoch Palämon« hätt' gerufen;
Da hätten seine Kampfgefährten ihn
Durch ihren Beistand schnell befreit und nun
Sei'n beide Kämpfer handgemein geworden.
EMILIA.
O, daß in Einen sie verwandelt würden!
Was sag' ich? Gäb' es auf der Welt ein Weib,
Das solchen Doppelmannes würdig wäre?
Was jedem den besonderen Werth verleiht,
Und einen von dem andern unterscheidet,
Ist schon viel mehr, als eine Frau verdient.
(Hörnerschall. Rufe hinter der Scene: »Arcit, Arcit!«)
Noch immer, wie? Palämon?
DIENERIN.
Nein, sie rufen
»Arcit« jetzt.
EMILIA.
Horch mit beiden Ohren hin,
Ich bitte dich, daß du auch recht verstehst.
(Hörnerschall. Lärm. Geschrei: »Sieg, Sieg, Arcit!«)
DIENERIN.
Sie rufen: »Sieg, Arcit!« Horcht: »Sieg, Arcit!«
Der Hörner Schall zeigt an des Kampfes Ende.
EMILIA.
Mit halbem Blicke konnt' es jeder sehn,
Kein Schwächling sei Arcit. Aus seinem Auge
Brach mächtig seines Geistes Kraft hervor,
Wie man im Flachs nicht Feuer kann verstecken,
Und niedres Ufer nicht der Wasser Schwall,
Wenn er von wildem Sturm getrieben wird,
Abwehren kann. Vermuthet hab' ich's gleich,
Palämon würde unterliegen müssen,
Nur weiß ich nicht, warum ich es vermuthet!?
Vernünft'ge Gründe pflegen nicht Propheten
Zu sein, viel öfter Einbildungen. Sieh,
Da kommen sie.
(Hörnerschall.)
Palämon thut mir leid.
[98] (Theseus, Hippolyta, Pirithous, Arcit als Sieger nebst Gefolge treten auf.)
THESEUS.
In Furcht und Zagen harret unsre Schwester
Des Ausgangs hier. Vernimm, Emilia,
Kraft himmlischer Entscheidung gaben dir
Die Götter diesen Ritter zum Gemahl,
Ein besserer schlug nie den Feind aufs Haupt.
Reicht Euch die Hände, nimm sie hin – du ihn,
Und solche Lieb' vereine segnend euch,
Die immer wächst, je mehr ihr selbst vergeht.
ARCITES.
Emilia, – dich zu gewinnen gab ich
Das Köstlichste dahin (dich ausgenommen),
Was ich besaß, doch dünket mich der Preis,
Um den ich solchen Schatz erwarb, gering.
THESEUS.
Er redet von dem besten Ritter, Schwester,
Der je ein edles Roß bestiegen hat;
Ihn lassen unvermählt die Götter sterben,
Daß sein Geschlecht nicht ihnen vor der Welt
Zu ähnlich werde. Denn mit ihm verglichen
Scheint der Alcide nur ein Klumpen Blei,
So hat er mich entzückt. Doch wie ich immer
Sein Lob auch singen mag, darum verliert
Arcit nicht das Geringste, – denn der Große
Fand seinen Größern noch. –
Das Ohr der Nacht
Hört' ich wetteifernd einst zwei Nachtigallen
Mit wechselseitigem Gesang bestürmen;
Bald lauter diese, jene bald, dann wieder
Die erste ihre Schwester überbietend,
Sodaß das Ohr zu keinem Urtheil kam.
Nichts anders war es lang' bei diesen Vettern,
Bis einer siegte durch des Himmels Schluß.
Mit Stolz und Freude trage deinen Kranz,
Doch den Besiegten sei Gerechtigkeit
Nun schnell von uns gewährt. Ich weiß, ihr Leben
Ist ihnen nur zur Qual. Hier laßt es sein,
Für uns ist das kein Anblick, gehn wir also,
Im Herzen fröhlich, doch nicht ohne Trauer.
Umarme deinen Preis; ich weiß, um nichts
In aller Welt gäbst du ihn wieder her.
Hippolyta, in deinem schönen Auge
Blinkt eine Thräne?![99]
EMILIA.
Ach, heißt das gewinnen?
O Himmelsmächte, ist das eure Gnade?
Sprächt ihr gebietend nicht: »So soll es sein,
Nun tröste du den armen, freundeslosen,
Den unglückhaften Fürsten, der ein Leben
Geopfert hat, mehr werth als alle Frau'n« –
Ich würde lieber sterben!
HIPPOLYTA.
Ach, wie traurig,
Daß sich vier Augen wandten auf die eine
Und zwei nun brechen müssen!
THESEUS.
Ja, so ist's!
(Alle ab.)
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