[43] (Ein Zimmer im Gefängniß.)
Die Tochter des Gefängnißwärters tritt auf.
TOCHTER.
Ach! warum lieb' ich ihn? Er wird doch niemals
Mich wieder lieben. Ich bin ihm zu schlecht,
Mein Vater ist sein Kerkermeister, er
Ein Prinz! Sein Weib zu werden, daran ist
Doch nicht zu denken, und sein Liebchen nur
Zu sein, wär' eine Schmach, das möcht' ich nicht.
Was doch uns armen Mädchen alles droht,
Wenn wir die Fünfzehn erst im Rücken haben!
Als ich zuerst ihn sah, dacht' ich bei mir:
»Ein schöner Mann! Wenn er's benutzen wollte,
Er könnt' den Frauen schon gefährlich werden,
Mehr als ein andrer, den ich je gesehn.« –
Danach that er mir leid, und jeder hätt' er's
Gethan, die träumend ihrer Jugend Unschuld
Sich aufbewahrt für einen schönen Mann.
Dann liebt' ich ihn unendlich, unaussprechlich,
Obgleich sein Vetter ihm an Schönheit gleicht.
Doch hier in meinem Herzen herrscht Palämon
Allein und unumschränkt! – Ihn singen hören
Des Abends, welche Himmelslust, und doch
Wie traurig ist sein Lied! – Voll süß'rer Rede
War nie ein Mann. Wenn ich am Morgen komme
Und Wasser bringe, neigt er sich zum Gruß[43]
Und spricht dann: »Guten Morgen, liebes Mädchen,
Geb' dir der Himmel einen braven Mann.«
Ja einmal hat er mich sogar geküßt,
Zehn Tag' lang war ich stolz auf meine Lippen.
Ich wollt' er thät es öfter! Ach, sein Elend
Macht traurig ihn und mich, wenn ich es sehe.
Wie fang' ich es doch an, damit er weiß,
Daß ich ihn liebe, – wollt', er wäre mein!
Soll ich es wagen, – ihm die Freiheit geben?
Doch das Gesetz? – ei, was, – was kümmern mich
Gesetze und Verwandtschaft! Ja, ich thu's
Noch heute oder morgen ist er mein!
(Ab.)
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Die beiden edlen Vettern
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