Dritte Scene

[40] (Gegend bei Athen.)


Arcites tritt auf.


ARCITES.

Verbannt des Landes! Eine große Gnade,

Für die ich dankbar sein muß, – doch verbannt

Aus ihrem Angesicht, für die ich lebe?

Viel härter als der Tod ist diese Strafe,

So hart, daß, wär' ich alt und schuldbeladen,

All meine Sünden solche Strafe nicht

Rechtfert'gen würden. – Jetzt bist du, Palämon,

Im Vortheil; du bleibst da und kannst nunmehr

An jedem Morgen sehn, wie ihre Blicke

Sich auf dein Fenster richten, neues Leben

In dir entzündend; kannst vom Honigseim

Der Schönheit zehren, wie Natur sie nie

Noch übertraf und übertreffen wird. –

Ihr Götter, wie Palämon glücklich ist!

Ich wette drauf, sie kommt und spricht mit ihm,

Und wenn sie gütig, wie sie reizend ist,[40]

Gewinnt er sie, denn er hat eine Zunge,

Die Stürme sänft'gen kann und rauhe Felsen

Geschmeidigmachen. – Komme, was da will,

Ich bleibe hier; das Schlimmste ist der Tod!

In meinem Lande find' ich nichts als Trümmer,

Da ist kein Trost, und geh' ich fort von hier,

So hat er sie. Darum soll mir Verkleidung

Zum Ziele helfen, oder – ich bin todt!

So oder so, ich werde glücklich sein,

Ihr nahe, oder überhaupt nicht mehr!


(Vier Landleute, einer von ihnen mit einem Kranze voran, treten auf.)


ERSTER LANDMANN.

Nu gut, ich gehe mit.

ZWEITER LANDMANN.

Und ich desgleichen.

DRITTER LANDMANN.

Dann geh' ich auch.

VIERTER LANDMANN.

Laßt nur die Weiber schimpfen,

Was schiert uns das? Stellt Euren Pflug beiseite,

Ich schind' die Mähren morgen dafür doppelt.

ERSTER LANDMANN.

Die Meine ist so eifersüchtig wie

Ein Truthahn, aber das ist mir egal;

Ich gehe doch und wenn sie noch so schilt!

ZWEITER LANDMANN.

Geh' lieber morgen Abend drauf und gib

Ihr eine volle Ladung, dann ist's gut.

DRITTER LANDMANN.

Ja, gib ihr's in die Hand und du wirst sehn,

Wie sie sich schnell bekehrt und kirre wird.

Zuerst gehn wir zur Maie.

VIERTER LANDMANN.

Warum das?

DRITTER LANDMANN.

Arcas ist dort.

ZWEITER LANDMANN.

Auch Sennois und Rycas,

Drei bess're Bursche haben um die Maie

Noch nie getanzt, und nun die Mädchens erst!

Was meint ihr aber, wird der Domine,

Der Dorfschulmeister, kommen? Denn ihr wißt,

Er ist die Hauptperson.

DRITTER LANDMANN.

O, seid nicht bange,

Sein A-b-c-Buch würd' er eh'r verschlingen,

Als nicht dabei sein. Mit des Gerbers Tochter

Ist ja die Sache schon zu weit gediehn,

Er läßt nicht los. Sie muß den Herzog sehn,

Und tanzen will sie auch![41]

VIERTER LANDMANN.

's wird herrlich werden!

ZWEITER LANDMANN.

Die Bursche in Athen, sie können alle,

So wie sie sind, uns in die Hosen blasen.

Hier will ich sein und dort und wieder hier

Und wieder dort! Die Weber sollen leben!

ERSTER LANDMANN.

Im Wald agiren wir.

VIERTER LANDMANN.

Wär' es nicht besser –

ZWEITER LANDMANN.

Nein, nein, so steht's im Buch; der Domine

Wird vor dem Herzog eine Rede halten.

Im Wald ist er vortrefflich; auf dem Felde

Dagegen keinen Heller werth.

DRITTER LANDMANN.

Nu gut!

Erst sehn wir uns die Spiele an, dann gehen

Wir ins Geschirr. Laßt uns nur gut probiren,

Eh' uns die Damens sehn, und seid recht zärtlich.

Gott weiß, was noch daraus entstehen kann!

VIERTER LANDMANN.

Nu, Jungens, kommt und haltet euch zusammen.

ARCITES.

Erlaubt mir, lieben Freunde, wohin geht ihr?

VIERTER LANDMANN.

Was fragt Ihr uns so närrisch?

ARCITES.

Nun, ich frage,

Weil ich es wissen möchte.

DRITTER LANGMANN.

Zu den Spielen!

ZWEITER LANDMANN.

Ihr seid wohl nicht von hier, sonst wüßtet Ihr's.

ARCITES.

Nein, ich bin fremd. Gibt's heute Spiele hier?

ERSTER LANDMANN.

Das will ich meinen, bess're saht Ihr nie,

Der Herzog selbst wird gegenwärtig sein.

ARCITES.

Und was für Spiele sind das?

ZWEITER LANDMANN.

Ringen, Laufen!

He, wollt Ihr mit uns gehn?

ARCITES.

Ich komme nach!

VIERTER LANDMANN.

Nu, wie Ihr wollt! Kommt, Jungens.

ERSTER LANDMANN.

Ich mistraue

Dem Kerl; dem steckt was Falsches in der Hüfte,

Sie nur, sein Leib ist wie dazu gemacht –

ZWEITER LANDMANN.

Ich will mich hängen lassen, wenn er's wagt.[42]

Der Teufel hole diesen Tellerlecker!

Der ringen? Faule Eier! Jungens, kommt!


(Die vier Landleute ab.)


ARCITES.

Nicht besser hätte die Gelegenheit

Mir passen können. Alle Kenner sagen,

Ich wär' im Ringen Meister und im Laufen

So flüchtig wie der Wind, wenn er die Aehren

Des Feldes streift. Ich wag's, – verkleidet will

Ich zu dem Spiele gehn, und wenn das Glück

Mir günstig ist, so kann ich dort vielleicht

Den Kranz und solche Stellung mir erringen,

Daß ich in ihrer Nähe bleiben darf.


(Ab.)


Quelle:
Die englische Bühne zu Shakespeare's Zeit. Zwölf Dramen seiner Zeitgenossen. Leipzig: Brockhaus, 1890, S. 40-43.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die beiden edlen Vettern
Die beiden edlen Vettern: The two noble Kinsmen

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon