|
Sei der Vogel hellsten Lautes,
Horstend in Arabiens Öde,
Banger Herold und Trommete!
Fromm Geflügel, auf ihn schaut es.
Doch du kreischender Gefährte,
Bösen Feindes Eingeweihter,
Fieber-Endes arger Deuter,
Bleibe fern von dieser Herde!
Sei aus unserm Rat verwiesen
Aller Vogel rauh und arg;
Nur der Aar, des Flugs Monarch,
Müsse dies Begängnis grüßen.
Priester sei, weiß infuliert,
Der die Sterbelieder kann,
Todesprophezeier Schwan,
Wie dem Requiem gebührt.
Und du, Krähe, dreifach alte,
Die ihr schwarz Geschlecht erzielt
Mit Odem, den sie gibt und stiehlt,
Zu dem Trauerzug dich halte!
Hier beginnt der Chor. – Zusammen
Tönet's: Lieb' und Treu ist hin;
Turteltaub' und Phönix fliehn
Aus der Welt in Wechselflammen.
Liebten sich, wie wenn, verdichtet
Lieb' in Zwei'n zu einem Wesen,
Trennungslos geteilt gewesen.
Da hat Liebe Zahl vernichtet.
Herzen nah im Weiten schienen;
Denn nicht Raum war, und doch Ferne
Zwischen Taub' und ihrem Sterne.
Allen Wunder, außer ihnen.
Liebesstrahl durchzuckte so sie,
Daß der Phönix all sein Glück
Flammen sah im Turtelblick;
Jedes jedem ein Potosi.
Eigentum sich so verließ,
Daß im Selbst das Selbst verschwand,
Einzelwesen, zwiebenannt,
Weder zwei noch eines hieß.
Selbst Vernunft, sie schien bedrängt,
Sah Getrenntes sich vereinen,
An sich selbst wie nichts erscheinen:
Schlichtes war so wohl vermengt,
Daß sie rief: wie treugepaart
Hier in Eintracht ein Geschlecht!
Recht hat Liebe nun, nicht Recht,
Wo Entfernung so beharrt.
Und erhub dann diese Klage
Um der Liebe Stern und Helden,
Taub' und Phönix die Entseelten,
Als Choral am Sarkophage:[860]
Schönheit, Treu und Seltenheit,
Anmut in Einfältigkeit
Schlummern hier dem Staub geweiht.
Nun versiecht des Phönix Blut;
Täubleins Herz, so fromm und gut,
Für Ewigkeiten fühllos ruht.
Ach der kinderlos Verschwund'nen!
Nicht ohnmächtig drum Erfundnen:
Keuschheit war es der Verbund'nen.
Wahrheit scheint nun, hat nicht Wesen.
Schönheit prahlt nun, ist gewesen.
Wahrheit, Schönheit, sie verwesen.
Alle, die ihr schön und wahr,
Kommt zur Urne, bringet dar
Ein Gebet dem Totenpaar!
Buchempfehlung
Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.
98 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro