Zehnte Szene

[769] Zwischen den zwei Lagern.


Es treten auf Antonius und Scarus mit Truppen.


ANTONIUS.

Heut rüsten sie sich auf den Kampf zur See,

Zu Land gefall'n wir ihnen nicht.

SCARUS.

Herr, nirgend! –

ANTONIUS.

Und kämpften sie in Feuer oder Luft,

Wir föchten auch dort. Doch so sei's: das Fußvolk

Dort auf den Hügeln, so die Stadt begrenzen,

Zieht her zu mir; zur See befahl ich ihnen,[769]

Den Hafen zu verlassen. Nun hinan,

Wo ihre Stellung wird erspäht am besten

Und jegliche Bewegung!


Gehn weiter.


Cäsar kommt mit seinen Truppen.


CÄSAR.

Greift er nicht an (und kaum vermut' ich es),

So bleibt zu Lande ruhig: seine Hauptmacht

Entsandt' er auf die Schiffe. Nun zur Nied'rung,

Und haltet euch aufs beste!


Gehn ab.


Antonius und Scarus kommen zurück.


ANTONIUS.

Noch nicht zum Kampf geschart! Dort bei der Fichte

Kann ich's ganz übersehn: gleich meld' ich dir,

Wie es sich anläßt.


Ab.


SCARUS.

Schwalben nisteten

In den ägypt'schen Segeln. Unsre Augurn

Verstummen, woll'n nichts wissen, sind verstört,

Und scheun zu reden, was sie sahn. Antonius

Ist mutig und verzagt, und fieberhaft

Gibt sein zerstörtes Glück ihm Furcht und Hoffnung

Des, was er hat und nicht hat.


Schlachtgetöse in der Ferne, wie von einem Seetreffen. Antonius kommt zurück.

ANTONIUS.

Alles hin!

Die schändliche Ägypterin verriet mich;

Dem Feind ergab sich meine Flotte: dort

Schwenken sie ihre Mützen, zechen sie,

Wie Freunde lang getrennt. Dreifache Hure!

Du hast dem Knaben mich verkauft! Mein Herz

Führt Krieg mit dir allein. – Heiß' alle fliehn!

Denn wenn ich mich gerächt an meinem Zauber,

Bin ich zu Ende: Geh! heiß' alle fliehn! –


Scarus ab.


O Sonne! Nimmer seh' ich deinen Aufgang!

Ich und Fortuna scheiden hier: – hier grade schütteln[770]

Die Hand wir uns! Kam es dahin? Die Herzen,

Die hündisch mir gefolgt, die jeden Wunsch

Von mir verlangten,

Die schmelzen hin und tauen ihre Huld

Auf den erblüh'nden Cäsar;

Und abgeschält nun steht die Fichte da,

Die alle überragt! Ich bin verkauft!

O falsch ägyptisch Herz! o tiefer Zauber!

Du winkt'st mein Heer zum Krieg, du zogst es heim,

Dein Busen war mein Diadem, mein Ziel,

Und du, ein echt Zigeunerweib, betrogst mich

Beim falschen Spiel um meinen ganzen Einsatz!

He, Eros! Eros!


Cleopatra kommt.


Ah, du Blendwerk! Fort!

CLEOPATRA.

Was tobt mein Freund so gegen die Geliebte?

ANTONIUS.

Entfleuch, sonst zahl' ich dir verdienten Lohn

Und schände Cäsars Siegszug. Nehm' er dich;

Hoch aufgestellt den jauchzenden Plebejern,

Folg' seinem Wagen als der größte Fleck

Des Frau'ngeschlechts! – Laß dich als Monstrum zeigen

Den schäbigsten Gesell'n und Tölpeln; laß

Die sanfte Octavia dein Gesicht zerfurchen

Mit scharfen Nägeln!


Cleopatra ab.


– Gut, daß du gegangen,

Wenn's gut ist, daß du lebst; doch besser war's,

Du fielest meiner Wut: der einen Tod

Erhielt' am Leben viele. – Eros, ha!

Des Nessus Hemd umschließt mich! Lehre mich,

Alcides, großer Ahnherr, deine Wut:

Laß mich ans Horn des Monds den Lichas schleudern,

Und diese Hand, die Riesenkeulen schwang,

Mein edles Selbst zerstören! Tod der Zaub'rin!

Dem Buben Roms gab sie mich preis; ich falle

Durch diesen Trug: drum Tod ihr! – Eros, ho! –


Ab.[771]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 769-772.
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