Sechste Szene

[721] In der Nähe von Misenum.


Es treten auf von der einen Seite Pompejus und Menas, mit Trommeln und Trompeten; von der andern Cäsar, Antonius, Lepidus, Enobarbus und Mäcenas mit Truppen.


POMPEJUS.

Ihr habt nun meine Geiseln, ich die Euern:

So laßt uns reden vor der Schlacht!

CÄSAR.

Sehr löblich,

Daß erst verhandelt werde; darum sandt' ich

Voraus, was wir dir schriftlich zugestanden.

Hast du dies wohl erwogen, zeig' uns an,

Ob's in der Scheide hält dein zürnend Schwert[721]

Und führt zurück Siziliens mut'ge Jugend,

Die sonst hier fallen muß.

POMPEJUS.

Hört mich, ihr drei

Allein'ge Rechtsverweser dieser Welt,

Höchste Statthalter Jupiters: Ich weiß nicht,

Weshalb mein Vater Rache sollt' entbehren,

Dem Sohn und Freunde blieben, da doch Cäsar,

Der sich dem edlen Brutus offenbart,

Euch bei Philippi für ihn kämpfen sah.

Was trieb den bleichen Cassius zur Verschwörung?

Was tränkte der altröm'sche biedre Brutus,

Und wer noch sonst für holde Freiheit focht,

Mit Blut das Kapitol? Nur daß ein Mann

Nicht mehr sei als ein andrer Mann! Und deshalb

Rüstet' auch ich die Seemacht, deren Last

Das Meer zornschäumend trägt, mit ihr zu geißeln

Den Undank, den dies schnöde Rom erwies

Meinem erhabnen Vater.

CÄSAR.

Nimm wahr der Zeit!

ANTONIUS.

Du schreckst mit deiner Flott' uns nicht, Pompejus:

Wir sprechen uns zur See; zu Lande weißt du,

Wie viel wir reicher sind.

POMPEJUS.

O ja, zu Lande

Bist reicher du durch meines Vaters Haus;

Doch weil der Kuckuck für sich selbst nicht baut,

Bleib' drin, solang' du kannst!

LEPIDUS.

Gefällt's Euch, sagt

(Denn dies führt uns vom Ziel), wie Euch bedünkt

Der Vorschlag, den wir taten.

CÄSAR.

Dies der Punkt. –

ANTONIUS.

Nicht sei dazu gebeten, sondern wäge,

Was du dadurch gewinnst.

CÄSAR.

Und was geschehn kann,

Noch größres Glück zu finden.

POMPEJUS.

Ihr botet mir

Sizilien und Sardinien, und ich soll

Das Meer befrein von Räubern; soll nach Rom[722]

Vorrat von Weizen senden: tu' ich das,

Ziehn wir mit unzerhacktem Schwert nach Haus

Und glattem Schild.

CÄSAR, ANTONIUS, LEPIDUS.

Das boten wir.

POMPEJUS.

So wißt,

Ich kam vor euch hieher mit dem Entschluß

Dies anzunehmen; nur daß Marc Anton

Ein wenig mich verstimmt. – Büß' ich schon ein

An Ruhm, erzähl' ich's selber: – dennoch, wißt!

Als Cäsar Krieg mit Euren Brüdern führte,

Fand Eure Mutter in Sizilien damals

Den gastlichsten Empfang.

ANTONIUS.

Ich weiß, Pompejus,

Und sann zeither auf edle Dankbarkeit,

Die ich Euch schuldig.

POMPEJUS.

Gebt mir Eure Hand:

Ich hätte nicht gedacht, Euch hier zu treffen.

ANTONIUS.

Es ruht sich sanft im Osten, und ich dank' Euch,

Daß Ihr mich herrieft, eh's mein Vorsatz war;

Denn ich gewann dabei.

CÄSAR.

Seit ich Euch sah,

Habt Ihr Euch sehr verändert.

POMPEJUS.

Nun, ich weiß nicht,

Wie herbes Schicksal mein Gesicht gefurcht; –

Doch nimmer soll mir's dringen in die Brust,

Mein Herz zu überwält'gen.

LEPIDUS.

Seid willkommen!

POMPEJUS.

Das hoff' ich, Lepidus. So sind wir eins. –

Ich wünschte nun geschrieben den Vertrag

Und unterzeichnet.

CÄSAR.

Das geschehe gleich!

POMPEJUS.

Wir wollen uns bewirten, eh' wir scheiden.

Und losen, wer beginnt. –

ANTONIUS.

Laßt mich beginnen!

POMPEJUS.

Nein, losen wir, Antonius: ob der erste,

Ob letzte; Eurer Kochkunst aus Ägypten

Gebührt der Preis. Ich hörte, Julius Cäsar

Ward dort vom Schmausen fett.[723]

ANTONIUS.

Ihr hörtet vieles!

POMPEJUS.

Ich mein' es gut.

ANTONIUS.

Und setzt die Worte gut.

POMPEJUS.

Nun wohl, ich hört' es;

Und hört' auch das: Apollodorus trug ...

ENOBARBUS.

O still davon! Er trug ...

POMPEJUS.

Was? –

ENOBARBUS.

Eine gewisse

Monarchin hin zum Cäsar in 'ner Decke.

POMPEJUS.

Nun kenn' ich dich; wie geht dir's, Kriegsmann?

ENOBARBUS.

Gut;

Und, wie mir's scheint, auch ferner gut: ich sehe,

Vier Schmäuse sind im Werk.

POMPEJUS.

Reich' mir die Hand;

Ich hab' dich nie gehaßt; ich sah dich fechten

Und neidete dir deinen Mut.

ENOBARBUS.

Mein Feldherr,

Ich liebt' Euch nie sehr stark, doch lobt' ich Euch,

Da Ihr wohl zehnmal so viel Lob verdient,

Als ich Euch zugestand.

POMPEJUS.

Dein offnes Wesen

Erhalte dir, es steht dir wohl. –

Ich lad' euch all' an Bord meiner Galeere;

Wollt ihr vorangehn?

ALLE.

Führt uns, Feldherr! –

POMPEJUS.

Kommt!


Pompejus, Cäsar, Antonius, Lepidus, Soldaten und Gefolge ab.


MENAS beiseit. Dein Vater, Pompejus, wäre nimmer diesen Vergleich eingegangen. – Ihr und ich haben uns schon gesehn, Herr.

ENOBARBUS. Zur See, denk' ich.

MENAS. Ganz recht, Herr.

ENOBARBUS. Ihr habt Euch gut zur See gehalten.

MENAS. Und Ihr zu Lande.

ENOBARBUS. Ich werde jeden loben, der mich lobt, obgleich nicht zu leugnen ist, was ich zu Lande getan.[724]

MENAS. Noch was ich zu Wasser getan. –

ENOBARBUS. Nun, etwas könnt Ihr schon für Eure Sicherheit leugnen: Ihr seid ein großer Dieb zur See gewesen.

MENAS. Und Ihr zu Lande.

ENOBARBUS. Solchen Landdienst leugne ich ab. Aber gebt mir die Hand, Menas: hätten unsre Augen jetzt Vollmacht, so würden sie hier zwei sich küssende Diebe ertappen.

MENAS. Aller Menschen Gesichter sind ohne Falsch, wie auch ihre Hände beschaffen sind.

ENOBARBUS. Aber noch kein hübsches Weib hatte je ein Gesicht ohne Falsch.

MENAS. Das ist kein Tadel, sie stehlen Herzen.

ENOBARBUS. Wir kamen, mit euch zu fechten.

MENAS. Mir für mein Teil tut's leid, daß daraus ein Trinkgelag' ward. Pompejus lacht heut sein Glück weg!

ENOBARBUS. Wenn das ist, so kann er's gewiß nicht wieder zurück weinen.

MENAS. Sehr gewiß, Herr. Wir dachten nicht, Marcus Antonius hier zu treffen. Sagt doch, ist er mit Cleopatra vermählt? –

ENOBARBUS. Cäsars Schwester heißt Octavia.

MENAS. Jawohl, sie war des Cajus Marcellus Weib.

ENOBARBUS. Und ist nun des Marcus Antonius Weib.

MENAS. Was Ihr sagt!

ENOBARBUS. 's ist wahr!

MENAS. Dann sind Cäsar und er für immer an einander geknüpft!

ENOBARBUS. Wenn es meines Amtes wäre, von dieser Vereinigung zu weissagen, ich prophezeite nicht so.

MENAS. Ich denke, in dieser Angelegenheit tat die Politik mehr für die Heirat, als die Liebe der Vermählten.

ENOBARBUS. Das denk' ich auch. Aber Ihr sollt sehn, das Band, das ihre Freundschaft zu verknüpfen scheint, erwürgt ihre Verbrüd'rung. Octavia ist von kaltem, stillen Temperament.

MENAS. Wer wünschte sein Weib nicht so? –

ENOBARBUS. Der nicht, der selbst nicht so ist; und das ist Marc Anton. Sein ägyptisches Mahl wird ihn zurückziehen: dann werden Octavias Seufzer Cäsars Feuer anfachen, und wie[725] ich vorhin sagte: was die Befestigung ihres Bundes scheint wird die unmittelbare Veranlassung ihrer Entzweiung werden. Antonius wird seine Liebe zeigen, wo sie ist; hier hat er nur seinen Vorteil geheiratet. –

MENAS. So wird's wohl kommen. Sagt, Herr, wollt Ihr an Bord? Ich habe eine Gesundheit für Euch.

ENOBARBUS. Die nehm' ich an, Herr; wir haben unsre Gurgeln in Ägypten eingeübt.

MENAS. Wir wollen gehn.


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 721-726.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Antonius und Cleopatra
Antonius und Cleopatra.
Antony and Cleopatra/ Antonius und Cleopatra [Zweisprachig]
Antonius und Cleopatra (Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, Bd.10)
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Antony and Cleopatra / Antonius und Kleopatra: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung

Buchempfehlung

Christen, Ada

Gedichte. Lieder einer Verlorenen / Aus der Asche / Schatten / Aus der Tiefe

Gedichte. Lieder einer Verlorenen / Aus der Asche / Schatten / Aus der Tiefe

Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon